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würden sich wohl Eindringlinge dieser Stellen bemächtigt haben. In diesem Falle würde daher jede geringe Abänderung, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat und irgendwie die Individuen einer oder der andern Species durch bessre Anpassung an die geänderten Lebens-Bedingungen begünstigt, ihre Erhaltung zu gewärtigen haben und die Natürliche Auswahl wird freien Spielraum für ihr Verbesserungs-Werk finden.

     Wie in dem ersten Kapitel gezeigt worden, ist Grund zur Annahme vorhanden, dass eine solche Änderung in den Lebens-Bedingungen, welche insbesondere auf das Reproductiv-System wirkt, Variabilität verursacht oder sie erhöhet. In dem vorangehenden Falle ist eine Änderung der Lebens-Bedingungen unterstellt worden, und diese wird gewiss für die Natürliche Züchtung insofern günstig gewesen seyn, als mit ihr die Aussicht auf das Vorkommen nützlicher Abänderungen verbunden war; kommen nützliche Abänderungen nicht vor, so kann die Natur keine Auswahl zur Züchtung treffen. Nicht als ob dazu ein äusserstes Maass von Veränderlichkeit nöthig wäre; denn wenn der Mensch grosse Erfolge durch Häufung bloss individueller Verschiedenheiten in einer und derselben Rücksicht erzielen kann, so vermag es die Natur in noch weit höherm Grade, da ihr unvergleichlich längre Zeiträume für ihre Plane zu Gebot stehen. Auch glaube ich nicht, dass eben eine grosse klimatische oder andre Veränderung oder ein ungewöhnlicher Grad von Abschränkung gegen die Einwanderung nöthig ist, um neue und noch unausgefüllte Stellen zu schaffen, damit die Natürliche Zuchtwahl sie durch Abänderung und Verbesserung einiger variirender Bewohner der Gegend ausfüllen könne. Denn da alle Bewohner einer jeden Gegend mit gegenseitig genau abgewogenen Kräften in beständigem Kampfe mit einander liegen, so genügen oft schon äusserst geringe Modifikationen in der Bildung oder Lebensweise eines Bewohners, um ihm einen Vortheil über andre zu geben, und weitre Abänderungen in gleicher Richtung werden sein Übergewicht noch vergrössern. Es lässt sich keine Gegend bezeichnen, in welcher alle natürlichen Bewohner bereits so vollkommen an einander und an die äusseren Bedingungen des

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_087.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)