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zu überdauern. Ich habe dieses Prinzip, wodurch jede solche geringe, wenn nützliche Abänderung erhalten wird, mit dem Namen »Natürliche Züchtung« belegt, um dessen Beziehung zur Züchtung des Menschen zu bezeichnen. Wir haben gesehen, dass der Mensch durch Auswahl zum Zwecke der Nachzucht grosse Erfolge sicher zu erzielen und organische Wesen seinen eignen Bedürfnissen anzupassen im Stande ist durch die Häufung kleiner aber nützlicher Abweichungen, die ihm durch die Hand der Natur dargeboten werden. Aber die Natürliche Auswahl ist, wie wir nachher sehen werden, unaufhörlich thätig und des Menschen schwachen Bemühungen so unvergleichbar überlegen, wie es die Werke der Natur überhaupt denen der Kunst sind.

     Wir wollen nun den Kampf um’s Daseyn etwas mehr ins Einzelne erörtern. In meinem späteren Werke über diesen Gegenstand soll er, wie er es verdient, in grösserem Umfang besprochen werden. Der ältere DeCandolle und Lyell haben reichlich und in philosophischer Weise nachgewiesen, dass alle organischen Wesen im Verhältnisse der Mitbewerbung zu einander stehen. In Bezug auf die Pflanzen hat Niemand diesen Gegenstand mit mehr Geist und Geschicklichkeit behandelt als W. Herbert, der Dechant von Manchester, offenbar in Folge seiner ausgezeichneten Gartenbau-Kenntnisse. Nichts ist leichter als in Worten die Wahrheit des allgemeinen Wettkampfes um’s Daseyn zuzugestehen, und nichts schwerer, als — wie ich wenigstens gefunden habe — dieselbe im Sinne zu behalten. Und bevor wir solche nicht dem Geiste tief eingeprägt, bin ich überzeugt, dass wir den ganzen Haushalt der Natur, die Vertheilungs-Weise, die Seltenheit und den Überfluss, das Erlöschen und Abändern in derselben nur dunkel oder ganz unrichtig begreifen werden. Wir sehen die Natur äusserlich in Heiterkeit strahlen, wir sehen blos Überfluss an Nahrung; aber wir sehen nicht oder vergessen, dass die Vögel, welche um uns her sorglos ihren Gesang erschallen lassen, meistens von Insekten oder Saamen leben und mithin beständig Leben vertilgen; oder wir vergessen, wie viele dieser Sänger oder ihrer Eier oder ihrer Nestlinge unaufhörlich von Raubvögeln u. a. Feinden zerstört werden; wir

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite xxx. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_067.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)