Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 014.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wie der Weitzen z. B., geben oft noch neue Varietäten, und unsre ältesten Hausthiere sind noch immer rascher Umänderung oder Veredelung fähig.

     Man hat darüber gestritten, in welchem Lebens-Alter die Ursachen der Abänderungen, worin sie immer bestehen mögen, wirksam zu seyn pflegen, ob in der ersten, oder in der letzten Zeit der Entwickelung des Embryos, oder im Augenblicke der Empfängniss. Geoffroy St. Hilaire's Versuche ergeben, dass eine unnatürliche Behandlung des Embryos Monstrositäten erzeuge, und Monstrositäten können durch keinerlei scharfe Grenzlinie von Varietäten unterschieden werden. Doch bin ich sehr zu vermuthen geneigt, dass die häufigste Ursache zur Abänderung in Einflüssen zu suchen seye, welche das männliche oder weibliche reproduktive Element schon vor dem Akte der Befruchtung erfahren hat. Ich habe verschiedene Gründe für diese Meinung; doch liegt der Hauptgrund in den bemerkenswerten Folgen, welche Einsperrung oder Anbau auf die Verrichtungen des reproduktiven Systemes äussern, indem nämlich dieses System viel empfänglicher für die Wirkung irgend eines Wechsels in den Lebens-Bedingungen als jeder andere Theil der Organisation zu seyn scheint. Nichts ist leichter, als ein Thier zu zähmen, und wenige Dinge sind schwieriger, als es in der Gefangenschaft zu einer freiwilligen Fortpflanzung zu veranlassen in den zahlreichen Fällen sogar, wo man Männchen und Weibchen bis zur Paarung bringt. Wie viele Thiere wollen sich nicht fortpflanzen, obwohl sie schon lange in nicht sehr enger Gefangenschaft in ihrer Heimath-Gegend leben! Man schreibt Diess gewöhnlich verdorbenen Naturtrieben zu; allein wie viele Kultur-Pflanzen gedeihen in der äussersten Kraft-Fülle, ohne jemals oder fast jemals Samen anzusetzen! In einigen wenigen solchen Fällen hat man herausgefunden, dass sehr unbedeutende Verhältnisse, wie etwas mehr oder weniger Wasser zu einer gewissen Zeit des Wachsthums für oder gegen die Samen-Bildung entscheidend wird. Ich kann hier nicht eingehen in die zahlreichen Einzelheiten, die ich über diese merkwürdige Frage gesammelt: um aber zu zeigen, wie eigenthümlich die Gesetze sind, welche die

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_014.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)