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halben Welttheil mit ihren frommen Bildern, die armen Lechthaler kamen reich aus Holland zurück – es blühten viele Industriezweige, die seither ganz eingegangen sind oder doch durch den Umschwung der Verhältnisse an Einträglichkeit bedeutend verloren haben. Der Durchzughandel warf viel Gewinn ab und die Bozner-Messen, die alten Haller-Märkte trugen wenigstens örtlich bei einen ansehnlichen Wohlstand zu begründen. Die Abgaben waren gering, die Einnahmen groß – fröhlicher Lebensgenuß in Tirol zu Hause wie in seiner Urheimath. Die Stände hatten auch noch ein kräftiges Wort in öffentlichen Angelegenheiten einzureden, und man that nicht klein mit den vielen schönen Freiheiten, welche die Noth der Fürsten, die Gunst der Zeiten und dreistes Zugreifen der biedern Landleute allmählich der gefürsteten Grafschaft zu Wege gebracht. Dieß freisamere, reichere, stolzere Leben ist dem Tiroler sehr fest im Gedächtnisse hängen geblieben und wo er immer auf eine Parallele geführt wird zwischen dem was ist und dem was war, da lispelt er leise: „Es heißt halt a nicht mehr!“ Diese Worte kehren jetzt so oft wieder, als wären sie der Wahlspruch von Tirol.

Der Krieg von Anno Neune, diese energische Protestation des tirolischen Provincialismus gegen die Einschmelzung in das damalige Bayerthum, dieser Krieg hat die Tiroler zu seiner Zeit in allen Ländern verherrlicht, wo die Franzosen verhaßt waren. „Es ist eine himmlische Wohlthat Gottes, an der wir alle gesunden könnten, eine solche Revolution“ schrieb damals Bettina an Goethe, und wie sie schrieb, so dachten Millionen. Es schien eine erhebende Erinnerung begründet für alle Zukunft.

Das große Jahr endete zwar über zerknickten Hoffnungen, gebrochenen Herzen und beweinten Leichen, allein der König, dem man so wehe gethan, war milde und vergab. Man tanzte wieder bei den Friedensfesten versöhnlich zusammen, Bayern und Tiroler, und schickte sich an, die Großthaten beiderseits zu vergessen. Der Kronprinz von Bayern, als General-Commandant im Inn- und Salzachkreise, wußte sich nicht minder als seine Gemahlin große Beliebtheit zu erwerben.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_616.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)