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am prasselnden Herde niederlassen zu können, fanden da jedoch kein Feuer, wohl aber zwei Sennen, die sich durch unsern höchst erbärmlichen Zustand keineswegs rühren ließen, sondern vielmehr deutlich zu erkennen gaben, daß ihnen nasse Tauernfahrer etwas ganz Alltägliches geworden. Von den Sennhütten setzten wir noch über ein paar steile, aber grüne, umbuschte Abhänge, und gelangten zu einem größern Haufen von Hütten, wo wir ein Wirthshaus zu treffen vermeinten. Daß auch dieses eine Täuschung, betrübte uns etwas, denn die Knie drohten einzubrechen. Nichtsdestoweniger rafften wir noch die letzte Kraft zusammen und schleppten uns vom stattlichsten Regen begleitet zu einer andern kleinen Sammlung von Bauernhäusern. Unter diesen stand eine Herberge, auf deren Schwelle wir den Fuß mit jenem Gefühle setzten, welches den beseelt, der nach einer Sturmnacht auf hohem Meere den Tritt aus dem Nachen ans Land setzt.

Was wir nun alles thaten, um uns trocken und reinlich zu machen, sey dem Leser verschwiegen, nicht aber daß die Wirthsleute liebreich beisprangen, um unsere Leiden zu beendigen. Das Feuer, welches im großen Stubenofen angezündet wurde, gab allerdings noch lange keine Wärme, aber dafür prasselte es bald lichterloh in der Küche. Um diese beseligenden Flammen uns zu setzen, holten wir Stühle herbei und stellten sie auf den Herd. Darnach ließen wir uns nieder, griffen nach den Humpen und tranken auf die Tauernfahrt und unsere Gesundheit.

Erinnert ihr euch, so ihr einmal einen oder zwei Romane gelesen, an die schreckhaften Bravos, die dem unglücklichen Opfer überall nachschleichen, ihm auf dem Rialto zu Venedig, auf dem Strande zu Neapel, auf den Wällen von Rhodos bei Tag oder Nacht begegnen und ihm zuraunen: Kennst du mich, Antonio? Der Vergleich mag nicht sehr zart seyn, aber mir kam es gleichwohl so vor – mir kam es vor wie eine hartnäckige Nachstellung, wie ein neues Stück einer alten höchst gefährlichen Intrigue, als ich plötzlich mein Auge auf unsern Jüngsten richtete und wahrnahm, daß eine blühende Pinzgauerin, von hinten hergeschlichen, den einen Arm auf

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 595. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_603.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)