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und zum Scheibenschießen ist zwar dem größten Theile der Tiroler gemein, indessen räumt man doch dem Unterinnthale allgemein ein, die meisten guten Schützen zu zählen. An jedem Sonn- oder Feiertage üben sich die jungen Leute den Sommer und Herbst hindurch sehr emsig in dieser Kunst und bringen es darin zu einer unglaublich hohen Fertigkeit. Eben so groß, als der Hang zur Jagd, ist die Raufluft der Tiroler, oder die Sitte, sich bei Beleidigungen durch einen Faustkampf auf dem Platze Genugthuung zu verschaffen. Diese Kämpfe vertreten gleichsam die Stelle der alten Ordalien und haben, wenn sie im Angesichte des versammelten Volkes geschehen, ihre eigenen Regeln und Gesetze. Werden diese von einem der Kämpfer durch Beißen, Kneipen, Augenstechen und derlei verbotene Kunstgriffe übertreten, so werfen sich alsbald einige aus der Versammlung zu Kampfrichtern auf und stehen dem Uebervortheilten bei. Solche unzulässige Hülfsmittel anwenden, heißt mit dem Kunstausdrucke schelmen. Jedes Landesviertel, jedes besondere Thal beinahe jedes einzelne Dorf nährt gegen die Nachbarschaft eine Art forterbender Antipathie, so daß ein Fest, bei welchem Leute aus verschiedenen Bezirken erscheinen, selten ohne Rauferei endet. Und doch verbindet alle bei öffentlichen Landesangelegenheiten der vollkommenste Gemeingeist. (Für Anno Sieben klingt das sehr prophetisch). Uebrigens ist das Raufen den jungen Burschen oft auch nur eine gymnastische Uebung. – Merkwürdig ist, daß die vornehmsten Raufer, die sogenannten Hagmaier, gewöhnlich die gutherzigsten Leute sind. Sie können vielen Spott mit kaltem Blut ertragen und zeigen ihre Ueberlegenheit lieber, wenn sie bei entstandenen Raufereien aufgefordert werden, die Kämpfenden auseinander zu bringen, als durch Auftreten in eigenem Namen. Reizbar sind sie nur gegen die Nebenbuhler ihres Ruhms, und wenn solche gegenwärtig sind, so unterlassen sie nie, diese durch Stichelreden und Trutzliedeln herauszufordern. Auch schicken sie an weit entfernte berüchtigte Raufbolde eigene Boten mit förmlichen Absagebriefen oder lassen sie auf einen bestimmten Platz, am liebsten einen besuchten Wallfahrtsort zum Zweikampf laden, z. B. nach

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 566. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_574.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)