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gerne plaudere. Bei der Abfahrt begleitete er seine lieben, fremden Herrn, den lieben Freund von Schwaz und den lieben Herrn Assessor von Aicha wieder an den Schlag, schüttelte uns herzlich die Hand und lud uns alle ein, andern Tags zu ihm auf seinen Hof zu kommen und seine Butter und den guten Kirschbranntwein, den er habe, zu versuchen.

Die sonntägliche Stellwagengesellschaft wurde durch diese Begegnung sehr heiter gestimmt und die Zillerthaler, die dabei waren, erzählten nun allerlei Geschichten. Ein mitfahrender Bauer, einer von den Jungen, klagte sehr bitter, daß die alte Fröhlichkeit im Zillerthale so unbarmherzig ausgerottet werde. Aehnliches hatten wir schon in Fügen vernommen und hörten es wieder zu Zell. Der Bue meinte, daß das Raufen abgekommen, sey nicht Schade, aber daß auch dem Singen und dem Tanzen nachgestellt werde, das sey zu viel. Jedennoch gehe es noch immer nicht recht mit der Traurigkeit; im Zillerthale, meinte der Kecke, sey keine Lustbarkeit eine Sünde, denn man müsse alles wieder hinausarbeiten. Auch seyen die Mädchen zu schön und zu gut und hätten die Buben zu lieb, als daß man zwischen beiden ewige Feindschaft stiften könne. Eine schöne Au, an der wir vorüber fuhren, gab ihm Anlaß, ein früheres Volksfest in Erinnerung zu bringen. Ehemals wurde da nämlich alle Jahre ein Widderstoßen abgehalten zwischen den Fügenern und den Zellern. Beide Gemeinden zogen dazu einen Widder heran und jene, deren Kämpe den Sieg errungen, hatte auch das Recht, das besiegte Thier an sich zu nehmen. Der Bursche behauptet indessen, man habe sich nicht so sehr auf das Widderstoßen gefreut, als auf das Plaisir welches gewöhnlich darauf folgte. Wenn es nämlich die Widder nicht ausmachen konnten und der Sieg, wie oft geschah, unentschieden blieb, so machte es die männliche Jugend aus und es kam dann auf der grünen Au zu einem unermeßlichen schlachtenartigen Ringkampf. Dabei trugen die Dirnen Steine zu, haranguirten die Kämpfer, brachten die Verwundeten aus dem Gefechte und schmeichelten den Muthigen und Tapfern. Dabei wurden aber auch Augen ausgedrückt, Ohren abgebissen und noch gräulichere

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 556. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_564.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)