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Wirthshause machte ich kurze Rast und begann vom Wirthe unterstützt wieder Sprachstudien zu treiben. Hier erfuhr ich, daß die Ladiner die Italiener insgesammt Lomberdsch heißen, die Lombarden. An einigen feiertäglich gekleideten Frauen die auf der Wallfahrt nach den Kreuzkofel waren und sich zur Fortsetzung derselben mit etwas Wein vorbereiteten, war abzunehmen, daß die Tracht der Weiber von der grödnerischen nicht viel verschieden ist, nur die Fatzelhaube hat wieder etwas andre Gestalt.

Oberhalb St. Martin auf grasreicher Halde liegt das Schloß Thurn an der Gader, ansehnliches zweistöckiges Haus mit wehrhaftem Thurme versehen, von kleinem Buschwerk lieblich umgrünt. Es war einmal der Sitz eines kleinen Gerichtes, das bis zum Untergange des heiligen römischen Reiches dem Bischof zu Brixen gehörte; angeblich ein übergebliebenes Stück der Schankung, welche Kaiser Heinrich III mit einer Grafschaft im Pusterthal im Jahre 1091 dem getreuen Bischof Altwin verehrte. Jetzt ist der strepitus judicii aus den alten Mauern gewichen und heutzutage sitzen zwei friedliche Bauern in dem Schlosse. Die andern Dörfer des Thales gehörten, außer Kolfuschg, das dem wolkensteinischen Gerichte Gufidaun untergeben war, dem Frauenstifte zu Sonnenburg, das draußen im Pusterthale liegt.

Das reiche Stift zu Sonnenburg entstand aber, als Ottwin, der Graf von Lurn und Pusterthal sein Gut unter seine vier Söhne vertheilt und einer davon, Volkold mit Namen, sich bedacht hatte, seine feste Suaneburc zu einem Frauenkloster nach der Regel des heiligen Benedicts zu weihen. Dieß geschah im Jahre 1018 und er schenkte nach freilich nicht ganz unbedenklichen Documenten der frommen Stiftung alles, was er im Thal von Enneberg zwischen Plaiken (Plaicha) und dem Salarpach (Salarapach) bei Kolfuschg besaß.

Die Unterthanen des Stiftes und des Bisthums hatten, wenn nicht die Milde der frommen Frauen oder der Kirchenhirten eintrat, der Lasten genug zu tragen. Grundzins, Zehenten, Kuppel- (d. i. Hunds-) Futter, Wasserprügel, Robot,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_470.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)