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wobei er „frantzöisch, morisch, katlonisch und kastilian, teutzsch, latein, windisch, lampertisch, reuschisch und roman, die zehn sprach“ hat gebraucht. Auch eine Kreuzfahrt ins gelobte Land und einen Zug gegen die Hussiten überstand er glücklich. Einen Lebensabriß des siegreichen Kriegsmannes gab Freiherr v. Hormayr im historischen Taschenbuche von 1824. Von seinen Liedern finden sich zwei Sammlungen, die eine aus dem Jahre 1425 zu Wien, die andre von 1432 zu München bei einem seiner Enkel. Letztere ist mit einer, freilich nicht sehr leserlichen Zuschrift von König Sigmund, dessen Rath sich Oswald nannte, an Herzog Friedrich zu Oesterreich versehen. Der Text der Lieder scheint von des Sängers eigener Hand zu seyn. Vorne ist sein gleichzeitiges Bildniß, ein rundes kräftiges Gesicht mit breitem Munde, doppeltem Kinne, einäugig, mit leisen Spuren von Narben um den Mund. Hellbraune Haare in dichtem Wulste umgeben es. Ueber seine Dichterweise und ihren Zusammenhang mit den poetischen Leistungen seiner Zeit fehlt noch eine Arbeit. Auf keinen Fall dürfte es sich herausstellen, daß es passend gewesen, ihn „den großen Geistesverwandten Homers“ zu nennen.

Nicht weit von Hauenstein liegen noch andere gebrochene Burgen, Saleck und Aichach, und ihrer Verwitterung gegenüber recht freundlich anzusehen das Dorf Seis, in weißen steinernen Häusern breit auseinander gelegt. Eine halbe Stunde aufwärts geht nunmehr ein schlängelnder Pfad zwischen Tannenwald unter den Schlernkofel hin, immer näher an seine Vorhörner auf das Bad Ratzes zu, wo wir unsre Nachtherberge nahmen.

Das Ratzeserbad liegt versteckt in einer waldigen Rinne, die der Seiserbach durchströmt. Hinter dem Bade verliert sie sich bald im Hochgebirge. Die nächste Umgebung hat auf ebenem Plane wenig Reiz, in der Höhe ist sie gewaltig und erhaben, denn der Schlern streckt seine himmelhohen Köpfe zum schwindelnden Anblick empor. Ratzes ist übrigens ein sehr besuchter Badeort und ohne Prunk mit allen angemessenen Behaglichkeiten ausgestattet. Zwei anständige Häuschen, mit vielen kleinen Kammern versehen, sind aus Stein erbaut, ein

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_419.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)