Zu Thale steigt man auf einem Bergpfad, der im Walde
steil herab führt. Ich ging auf Fragsburg zu das von Meran
aus so schön sich darstellt. Ungeheure Kastanienbäume erheben
sich ringsherum auf dem Bühel. Das Gebäude ist leer,
seitdem es der vorige Besitzer an einen Bauern, verkauft, der
die Burg nur betritt, wenn er sie einem Fremden zeigen soll,
sonst aber außerhalb wohnt in seinem Bauernhause. Der
frühere Besitzer war der mit einer Norddeutschen vermählte
Sänger Cornet, bei welchem einst Lewald seine Sommerfrische
hielt. Das Schloß hat ein malerisches Aussehen; übrigens
ist des Merkwürdigen nicht viel. Etliche Familienporträte
der Grafen und Gräfinnen von Manning sind noch vorhanden,
an welchen Lewald jene gelungenen Wahrnehmungen
über Veredlung der Race gewann, welche man ihm zu Meran
noch immer übel nimmt. Auch das Zimmer wurde gezeigt,
wo er, von unheimlichen Winden bedrängt, eine schlaflose
Nacht zubrachte. Die Gnädige, sagte die Bäuerin, die Gnädige
ist nie gerne hier gewesen; wenn Mais Braunschweig
und Meran Hamburg wäre, hat sie oft gesagt, dann möchte
sie’s wohl aushalten in dem alten Nest, aber so nicht. Darum
hat sie auch schon lange wieder das stille Land um Meran mit
dem lauten Hamburg vertauscht. Ueber das Burgleben zur
selben Zeit, als diese gebildete Gesellschaft hier oben weilte,
verweisen wir auf die freundliche Schilderung, die Lewald
selbst davon gegeben hat.
Hinter der Fragsburg ist eine ziemlich geräumige Ebene, die hier an diesem Platze gar nicht vermuthet wird, zum Theil Wiese, zum Theile Kornfeld. Drüber hingehend erreicht man bald den Tobel, in welchen der Fragsburger Wasserfall herabstürzt – eine schöne wilde Landschaft mit wogenden Büschen und ragenden Felsen. Am Rande des Tobels fort führt der steile Steig jetzt schon wieder mit allen Reizen südlicher Vegetation verkleidet in das Thal hinab – zuerst noch an einem lieblichen Teich vorbei, der einer Muschel gleich, voll krystallklaren Wassers in kühlem Helldunkel verborgen liegt, regungslos, nur zuweilen von irrenden Sonnenstrahlen gestreift oder von einem verschlagenen Zephyr, ein
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_415.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)