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deren Hämmer auf tiefliegenden harmonisch gestimmten Stahlfedern für Jerusalem verkündigen werden wie viel es geschlagen hat, ungefähr so daß die letzte kaum die ganze Stunde erledigt, bis die erste schon wieder das nächste Viertel durch die Stadt hallen läßt! Und damit diese unter der glühenden Sonne Palästina’s der Kühlung nicht entbehre, so ist auch für Wasserkünste gesorgt, und der Talferbach muß seine frischesten Fluthen hergeben zu einem steigenden Springquell auf dem Residenzplatz, welcher mit einer ehernen Reiterstatue König Davids geschmückt wird, wie er zu seinen Psalmen die Harfe schlägt. Es wäre indessen Unrecht, wenn man hier allen Nachdruck nur auf die Stadt legen wollte, denn es kommen auch ländliche Darstellungen vor wie die Geburt Christi, die Hochzeit zu Cana u. dgl., wo die Erfindungslust des Meisters fast noch maßloseren Raum hat. Für solche Fälle – es versteht sich von selbst – werden dann die Gewässer der Talfer noch ausgiebiger benützt, um von dem erhabenen Hochgebirg, das hinten in sehnsuchtweckender Ferne dahinzieht, in tosenden Wasserfällen niederzustürzen, klappernde Mühlen zu treiben, rauschende Flüsse zu bilden und in den stillen mit Trauerweiden umbuschten See von Genezareth zusammenzuströmen, auf welchem ein rasches Dampfboot, mit Namen: der Fortschritt, dem Verkehr zu dienen bestimmt ist. Die Wahl möchte schwer werden, wenn einst die Krippe in vollständiger Herrlichkeit zusammengestellt ist, was vorzuziehen, eine ländliche Scene oder eine Festlichkeit in der Hauptstadt. Dort im Abendlichte der heilige Libanon, voll Schneefelder, voll Cedern und Steinböcke, das anmuthige Mittelgebirge mit den lieblichen Einzelnheiten wie sie die Alpenhöhen von Südtirol so nachahmenswerth darbieten, auf den sonnigen Auen Sennhütten, in schattigen Hainen Sommerfrischhäuser, wo das Leben zwischen Spadill und Rosenkranz sanft dahinfließt, Einsiedeleien für verkannte Seelen die dieser Welt zu fromm geworden, und unten in der biblischen Ebene eine Landschaft wie ein Park, Rosengebüsche unter uralten Bäumen, Wiesen und Wald von heimlichen Pfaden durchschnitten, Dörfer aus denen die grünen Spitzthürme himmeldeutend aufsteigen, am See die Fischerhäuser

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_387.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)