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Dann kennen wir die gewaltigen Starkenberge, die Oberinnthaler, als Insassen, und da sie in der Fehde mit dem Friedl, dem mit der leeren Tasche, schon alles verspielt hatten, wehrte sich hier noch Ulrichs Hausfrau, Ursula Truchsessin von Waldburg. Erst nachdem sie des Gatten Bedrängniß erfuhr, gab sie das Banner mit den drei Kronen und die Thorschlüssel in des Feindes Hand. Später hielten hier die Lichtensteine einen verschwenderischen Hof; sie bauten auch das Schloß um in seine jetzige Gestalt. Gedehnte Saalfluchten setzten sie über die alten Gewölbe; nur noch die Treppe mit den Spitzbogen und der derbe halbrunde Brückenthurm konnten sich in wehrhafter Form retten vor der prunkhaften Renaissance. Mit dem Grafenleben, mit den verhängnißvollen „sechs Schimmeln,“ die in allen Prachterinnerungen der Landleute ihre Rolle spielen, fuhr aber auch des Schlosses beste Zeit von dannen, und dem Verfall hat es nur ein günstiger Zufall entrissen. Das reiche Urbar fesselte die unritterlichen Besitzer, und so stand doch Mauer und Dach sicher genug, ehe der neue Schloßherr als ersehnter Wiederhersteller einzog. *)[1]

Dieser neue Schloßherr ist nun der Graf von Meran, für den sein Vater, Erzherzog Johann, voriges Jahr die Burg erworben hat. Der neue Nachbar ist in der Gegend mit Jubel begrüßt und mit sinnigen Festlichkeiten aufgenommen worden. Man erwartet viel Schönes von der Zeit, wo der Hofsitz des Grafen in Schänna wird aufgeschlagen seyn. – Mehrere andere Edelsitze, zumal auf der Halde von Obermais, sind im vorletzten oder am Anfange des letzten Jahrhunderts wieder hergerichtet worden. Dazumal traten an die Stelle der alten tirolischen Geschlechter mehrere adelige Familien aus Graubünden, die hier in den innern Unruhen ihrer Heimath ein Asyl suchten. Da erscheinen die Planta, welche die Burg Greifen stattlich umbauten; die Flugi von Aspermont erkauften Knillenberg, die vältlinischen Paravicini saßen zu Rundeck, auch die Grafen von Mohr aus dem Engadein hatten neben dem Schlosse Dornsberg im Vintschgau

  1. *) Aus der Seite 294 angeführten Schilderung J. F. Lentners.
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_351.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)