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Säulenbogen, ein gothisches Fenster und dergleichen. Nur selten noch findet sich ein Ueberbleibsel alten Farbenschmuckes, ein ritterliches Wappenschild oder eine verblichene Malerei. Selbst die Burgcapellen sind wegen später Erneuerungen alles altertümlichen Reizes ledig. Die kräftigste Erinnerung an langvergangene Zeiten liegt wohl in den getäfelten Wohnstuben, an denen seit Jahrhunderten wenig geändert scheint. Die prüfende Vergleichung der verschiedenen Bauweisen, wie sie sich in diesen Schlössern darstellen, würde für die Kunstgeschichte des Etschlandes von Bedeutung seyn, doch hat sich noch Niemand daran gewagt. An Sagen und Geschichten waltet überraschende Armuth ob, wie wir schon einmal gesagt haben – die ganze Poesie der Landleute scheint sich in den Norkeln erschöpft zu haben. Von den alten Herren klingt kein Name mehr nach – die Ritter von Rubein, von Schänna, von Auer, von Partschins sind schon längst verschollen. Die Leute, die jetzt in ihren Horsten zu wohnen haben, sprechen von diesen mit kaltblütiger Verachtung, wie von altem, schnödem, nichtswürdigem Gemäuer.

Treten wir auf abendlichem Spaziergang in einen solchen Burghof, so rastet dort auf der steinernen Treppe der Baumann in tiefem Ernste beim Nachttrunke und raucht aus winzigem Pfeifchen seinen starken Knaster; hier am rauschenden Brunnen spinnt seine Ehewirthin und im Irrsaal ringsherum spielen die rothbackigen Kinder. Die Hausfrau lächelt, wenn wir ihr gestehen, daß wir den weiten Weg aus der Stadt gemacht um das Schloß zu sehen. S’ ist nichts als altes Winkelwerk, pflegt sie anzumerken, nimmt den Schlüssel und geht voran. Aus der Wohnstube beginnt die Wanderung durch die Trümmer der Vorwelt, durch düstre Gänge, über düstre Treppen in düstre Gemächer. Hier in der vergilbten Bankethalle ist die Speisekammer und es hängen da in schwebenden Leisten die Zwiebacke; in einer andern Prachtstube sind die Aepfel aufgeschüttet, der Mais und andre Früchte. Im trüben Gemache daneben voll Spinngeweben und Schmutz stehen ein paar schadhafte Bettstätten, worin die Dirnen schlafen; in einer andern, eben so finster und herabgekommen, hausen

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_348.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)