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zwischen ihnen herrschenden Unfriedens von sich geben. Welcher von beiden der ältere, war nicht mehr zu ergründen, weßwegen auch der Haß der Brüder mit reifern Jahren nur immer zunahm. Dieser Haß, sagt Mercey, war bei ihnen instinctmäßig; sie haßten sich ohne Ursache, nur aus Vergnügen sich zu hassen. Zuletzt kam auch noch ein Grund dazu, da Otto und Adalbert (c’étaient les noms qu’on leur avait donnés) ein und dasselbe Edelfräulein liebten. Endlich erscheint ein frommer Priester, der Abt von Brixen, in der Gegend, hört von diesem Hasse, geht nach Vorst und nimmt beiden Brüdern das Versprechen ab, andern Tages in der Burgcapelle sich zur Versöhnung einzufinden. An diesem Morgen war viel Adel und Landvolk nach Vorst gekommen, um Zeuge der Begebenheit zu seyn. Otto und Adalbert traten auf den Wink des Priesters zum Altare und neigten sich gegen einander, wie um sich zu umarmen, aber auf einmal erschallen wieder zwei entsetzliche Schreie durch die Capelle. Blut spritzt auf und die beiden Herren von Vorst, die sich gegenseitig erdolcht, fallen röchelnd zur Erde und verscheiden unter den gräßlichsten Verwünschungen. Die Hostie, die auch von Blut befleckt worden, habe man noch lange Zeit im Schlosse gezeigt, bis sie eines Tages durch ein Wunder hinweggerückt worden. Dieses Ereigniß sey in der Gegend bekannt unter dem Namen: die Versöhnung von Vorst – der Abt von Brixen aber habe selbige Nacht einen Traum gehabt, worin ihm die heilige Jungfrau zu erkennen gegeben, er solle sich dieses Mordes wegen nicht betrüben, denn während jenes Besuches bei dem berühmten Nekromanten habe die Brüder der Teufel erzeugt und sie seyen daher nur zu ihrem Vater zurückgekehrt. – Solche verschönerte Geschichten finden sich bei Mercey mehrere; die Lieder aber, die er am Ende seines Buches in geschmackvoller Uebersetzung als tirolische mittheilt, die sind eigentlich noch viel lustiger.

Jene Burg zu Vorst und die andern genannten sind nun bäuerlichen Pächtern überlassen und für Herrenleute wohl auch nicht mehr herzustellen. Merkwürdiges ist nichts darinnen, als was eben die Architektur bietet – hie und da ein schöner


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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_347.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)