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die jetzige „Erhebung des religiösen Bewußtseyns“ in Bayern hat mindestens bei den Meraner Bauern aufrichtige Theilnahme gefunden. So wenig Anklang die Wiedereinführung des alten Mönchswesens im Lande selbst genießt, so lobenswerth erscheint sie den Leuten im Burggrafenamte, und ich führe diesen freundlichen Widerhall um so lieber an, als der Gewinn, den wir hier unter dem beschränkten aber gutmüthigen Volk des Etschlandes gemacht, uns wenigstens einigermaßen entschädigen kann für die Kälte und den Sarkasmus, der über jene anziehende Verjüngung in andern aufgeklärten, aber boshaften deutschen Ländern an den Tag tritt. Nachdem es jetzt so gut steht „im religiösen Fach,“ sagt man in Untermais und in Partschins, so wäre gar nichts mehr auszusetzen. Getreid herein, Wein hinaus – das ist sprüchwörtlich geworden und überall zu hören und eben so oft kommt die Betrachtung vor: was hilft der Kaiser, wenn die Länder nicht „zusammenspielen.“ Bayern und Tirol sind aber durch die Natur zum „Zusammenspiel“ geschaffen, als sich gegenseitig durch ihre Haupterzeugnisse ergänzend, während die benachbarten Erbländer weder Getreide an Tirol abgeben können, noch Wein von demselben nehmen wollen. So hat denn allerdings innerhalb eines Menschenalters ein gänzlicher Umschlag der Stimmung stattgefunden, und die Meraner, die Maiser, die Algunder, einst so eifrig bei dem Kriege, dann so wonnetrunken, als der Kaiser Franz wieder seine feurigen Arme um die tirolische Jungfrau schlang, die Meraner, die Maiser, die Algunder, die Männer im Weinland bis an die weiland italische Gränze bei Nals trauern jetzt über die Trophäen von Anno Neun und meinen die damalige Erhebung sey „lei so a Dummheit, a zochete G'schicht“ gewesen. Die Meraner nehmen es sich noch jetzt übel, daß sie dazumal bei der großen Festbeleuchtung zu Ehren der Wiedervereinigung mit dem Kaiserreiche so unendlich viele transparente „Facken“ (Schweine) ausgestellt, Schweine nämlich, welche von Gebirgsschützen und anderm bewaffneten Volke aus dem Lande getrieben wurden. Hätten’s auch nicht gethan, sagt der Bürger, wenn wir gewußt, wie gut wir sie jetzt brauchen können.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_338.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)