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zwar an, daß er des Schlafes so gut bedürfe wie andere Menschen, welche nicht Saltner geworden sind, allein er soll sich nie schlummernd betreffen lassen – weder bei Tag noch bei Nacht. Auch des Essens wegen darf er sich aus seiner Markung nicht entfernen und überhaupt Speise und Trank nur nebenher einnehmen, stehend oder laufend, ohne Abbruch der beständigen Wache. In diesem Stücke ist der Bauer übermäßig streng, prüft den Saltner oft arglistig, und gibt die bündigsten Verweise und Drohungen, wenn der Mann eines Augenblicks nicht wachsam befunden wird. Ein Hauptziel seiner Thätigkeit ist die Beobachtung der verbotenen Wege. Von der Zeit an nämlich, wo der Saltner eingestellt wird, werden auch die Weingüter, die das übrige Jahr offen stehen und zum beliebigen Durchgang dienen, für geschlossen erklärt, und insbesondere alle getretenen Fußpfade die hindurch führen, bis auf die unentbehrlichsten als verboten ausgezeigt, was durch eine hölzerne Hand geschieht, die auf einer Stange steckt und mit Berberitzenzweigen umwunden ist. Wer solche verbotene Steige bei Tag betritt, und enthaltsam ohne Angriff auf die Trauben seines Weges wandelt, dem naht sich der Saltner mit Höflichkeit, zieht den Hut und bittet um den „Tabakkreuzer,“ eine ideelle Münze, welche gewöhnlich durch einen Groschen dargestellt wird. Wer bei Nachts in die gleiche Lage kömmt, zahlt um ein Gutes mehr und setzt sich auch unlieblichen Reden aus. Die volle Wucht saltnerischer Ahndung fällt natürlich auf jene, welche, sey’s bei Tag oder Nacht, ihrer Lüsternheit erliegen und im Weinberg naschend ergriffen werden. Freilich wird den Saltnern bei ihrer Verpflichtung vor der Obrigkeit bescheidene Höflichkeit gegen die herrischen, menschliche Milde und gesetztes Wesen gegen die mindern Leute aufs nachdrücklichste eingeschärft; doch vergeht selten ein Jahr, ohne daß man von blutigen Stößen zwischen den pflichttreuen Wächtern und naschhaften Dieben zu hören bekäme.

Ist der Saltner abgethan, so sind auch des Weins Verklärungswochen bald vorüber und man beginnt allmählich den neuen zu trinken. Wie die Knochen des Meraner Bauern fest und stark, so ist auch seine Gurgel für ihre Zwecke bewunderungswürdig

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_334.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)