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Dach zu sehen, trägt dann in großen Krügen seine besten Arten auf und schenkt unermüdlich ein; die Bäurin bringt etliche eigens aufbewahrte Trauben, volle Teller mit Kastanien, Nüssen und Aepfeln; die Kinder nahen sich allenfalls mit einem Blumenstrauße. Die Unterhaltung ist volksthümlich, heiter, lebendig. Der Bauer wird seines süßen Weines, die Bäurin ihrer schönen Kinder willen belobt; auf der andern Seite freut sich das ganze Hauswesen, daß die Herren heute so „gemein“ (herablassend) seyen. Manchmal wird’s besonders lustig und man kommt tief ins Zechen hinein, so daß um die Zeit des Törkelens viele „Affen“ nach Hause getragen werden.

Nicht unerwähnt darf hier die Figur des Saltners bleiben. Unter Saltner versteht man im Allgemeinen einen Flurschützen, auf den Alpen einen Hirten, im Weinlande aber zunächst den Traubenhüter. Der Saltner muß ein Mann des besten Leumunds seyn; er darf sich nie in verdrießliche Geschichten eingelassen, nie eine Strafe erduldet haben. Er wird jedes Jahr am 15 August eingestellt, bleibt bis die Güter abgeleert, erhält des Tages ungefähr einen Gulden, ferner verschiedene andre Reichnisse und genießt das Essen abwechselnd bei den Bauern. Nach diesen Anhaltspunkten schätzt man sein Einkommen während der drei Monate seiner Dienstzeit dem jährlichen eines wohlbestellten Knechtes gleich. Dieser zuträglichen Lage willen sind die Stellen sehr gesucht, und es findet eine förmliche Candidatur statt, indem der Aspirant zeitig genug bei den Bauern, in deren Markung ihm die Würde verliehen werden soll, umherzieht und sie mit Züchten um ihre Stimme bittet. Der Saltner hat wenigstens um Meran eine eigene wunderliche Tracht, nämlich eine lederne Jacke von besonderem Schnitt, lederne Hosen, kurze Stiefeln und einen dreispitzigen Hut, der mit Hahnenfedern, Gemsbärten und Eichhornschwänzchen verziert ist. Bei Tage führt er eine lange Ruthe, bei Nacht eine Hellebarde. Gegen die Unbill der Witterung schützt ihn eine Art von Taubenkobel, der auf vier mannshohen Stangen in das Gut gestellt wird. Der Saltner hat viel Plag und Mühsal, um seinen Dienst so zu verrichten wie das Herkommen es verlangt. Man nimmt

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_333.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)