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auch, wenn sie in wohlgefälligem Ansehen bewahrt werden sollten, viel mehr Erhaltungskosten in Anspruch nehmen als er aufzuwenden im Stande ist. Die alten Schlösser sind wie bemerkt, schon größtentheils in ländliche Hände gerathen; manche unkriegerische Landhäuser einer spätern Zeit sind denselben Weg gegangen und von vielen ehemaligen Wirthschaftsgebäuden, die für größere Verhältnisse berechnet waren, gilt das Gleiche. Namentlich sind im Etschlande die Klosterhöfe zahlreich, stattliche Weinlager, zumeist bayrischer Stifter, deren Otto der Bischof von Freisingen bereits im zwölften Jahrhundert gedenkt. Es ist zu vermuthen, daß die Mehrzahl dieser Gebäude schon nicht mehr ganz gut gehalten war, als der Bauer ihr Besitzer wurde, und ganz deutlich ist es, daß er seitdem nichts mehr hinein verwendet hat. Jetzt kann man ohne Präjudiz behaupten, die Hälfte der hiesigen Landleute wohne in Ruinen, und wenn auch die übrigen, die es besser haben könnten, an Schmutz und Gerümpel keinen Anstoß nehmen, so mag es daher kommen, daß sie am Beispiel der andern erkennen, wie wenig Reinlichkeit zu einem gemüthlichen Leben nothwendig. Vielleicht liegt auch nachbarliches Zusammenhalten zu Grunde und die Abneigung, sich durch a glossy surface vor den andern Haushaltungen der Gemeinde neiderregend auszuzeichnen.

Mühe und Arbeit des Meraner Landmanns ist neben der Viehzucht zumeist auf den Weinbau gerichtet. Art und Weise sowohl der Cultur der Rebe, als der Behandlung ihres Saftes ist aber von der sonst in Deutschland üblichen sehr verschieden. Erstgenannte, die Rebe, wird nämlich nicht an einzelnen Stöcken, sondern stets über ein hölzernes Laubengerüst gezogen unter dessen Bogen ein Mann aufrecht oder halbgebückt durchgehen mag. Dieß bildet eine höchst malerische Zuthat zu den Reizen des Etschlandes. Es ist wirklich ein herzerfreuender Anblick, in der Herbstzeit durch diese Weingüter wandelnd den Blick ins grüne Halbdunkel der perspectivischen Rebengänge hinauf und hinunter zu senden, wo vom laubgewirkten Baldachin die blauen Trauben groß und strotzend herunterhängen. Unten im Bodenraume werden andre Früchte, Mais, Kürbisse und dergleichen gebaut, und sehr gut nimmt

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_328.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)