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Stelle zu finden sey, die sie von dem Hause aus nicht sauber zu halten vermöchten. Hinter diesem ist das Proviantmagazin in den Berg eingesprengt, eine mächtige Höhlung, die man dadurch vor Feuchtigkeit zu wahren suchte, daß man sie auf allen Seiten vom Mutterfelsen freistellte. So geht denn jetzt ringsum diesen Raum herum noch ein eigener gangbarer Stollen, lediglich bestimmt alle Verbindung zwischen ihm und dem andern Gesteine abzuschneiden und alle Nässe aufzunehmen, die sonst ihren Zug ins Magazin genommen hätte. Da in neuerer Zeit auch oberhalb Brixen eine überdieß viel mächtigere Festung erbaut worden ist, so sind die beiden einzigen Straßen, welche über die Centralkette der Alpen führen, hiemit bewacht. Diese Wehren genügen um jedem Feinde, der von Süden einbricht, den Durchzug in das nördliche Tirol unmöglich zu machen, und umgekehrt jedem Feinde der von Norden kommt, die Verbindung mit dem südlichen.

Wenn man sich aus der Finstermünzer Schlucht herausgezogen, so betritt man die freie Landschaft von Nauders. Dieses große Dorf, auf dessen Kirchhofe zum erstenmale der Ortles zu erschauen ist, liegt 4274 Fuß über dem Meere in einer grünen Hochebene, die fast anmuthig und lachend ist. Vornehm und ansehnlich erhebt sich daraus auf einem felsigen Bühel das alte Schloß Naudersberg, noch immer der Sitz des Gerichtes, dessen Sprengel jetzt allerdings beschränkter ist als vor vierhundert Jahren, wo es bis Pontalto im Engadein Recht zu sprechen hatte.

Staffler macht drei Nauderser namhaft, die ihrem Geburtsorte zur Zierde gereichen. Der erste ist der im Jahre 1830 verstorbene Gottfried Purtscher, zuletzt geistlicher Rath und Regens des bischöflichen Seminars zu Chur, ein durch seltene Geistesgaben ausgezeichneter Mann. Der zweite ist Karl Blaas, im Jahre 1815 geboren, der vor vier Jahren noch die bildenden Künste zu Rom studirte und nach seinen damaligen Arbeiten einer der ersten Maler des Landes zu werden versprach, und der dritte, der wunderlichste, ist Joseph Bartlmä Kleinhans, der blinde Bildhauer von Nauders. Er ward im Jahre 1774 einem Landmann und Bäcker geboren

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_279.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)