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werden als stumme Besatzung ein Duzend Kegel gestellt, in das große Blachfeld der Mitte das Hauptgeschwader, etwa vier oder fünf, in die Nebencabinete je einer. Diese friedliche Mannschaft hat aber einen wilden Feind, einen schnurrenden Kobold, so etwas was man in Bayern schlechtweg einen Schnurrer, anderswo Kreisel nennt. Der Unhold wird nun von der Hinterwand abgelassen und fährt schwirrend in die Tafel, schlägt, je nachdem der Angriff gelingt, das Centrum nieder, stürzt siegesstolz durch die Einlaßpförtchen in die stillen Seitenzimmer, pickt auch da die ruhigen Bürger an, die an gar nichts denken, und wirft sie zu Boden, schießt wieder heraus und wo anders hinein, immer ganz aufrecht und mit einem fast lächerlichen Pathos, verbreitet so überall Schrecken und Mord, und singt immer sein wildes Lied dazu, bis er endlich kampfesmatt auf seinen kahlen Scheitel fällt, den einzigen Fuß drohend gegen Himmel streckt und auch so noch in summendem Wirbel sich schnurrend herumwälzt. Da trifft denn oft der Grimm des Sterbenden gar Manchen, den der Zorn des Lebenden verschont hatte. Zuletzt aber wenn der Held ausgewüthet, packt ihn ein anderer Badegast, um ihn zu neuem Leben zu erwecken. Es ist dieß Spiel, wenn’s nicht zu lange dauert, eine recht angenehme Unterhaltung, unschädlich für Kopf und Herz, dem Körper aber durch Stärkung des Armes eher noch förderlich. Drum hat auch dieser grüne Schnurrtisch wohl manches voraus vor den grünen Tischen in andern Bädern, und es ist nur zu beklagen, daß er letztere nicht schon längst ersetzt hat.

Die Badeleute in Ladis scheinen ebenso mild, so freundlich und so bereitwillig zu seyn, als die Wirthsleute in den übrigen Curorten des Landes. Daß der Aufenthalt nicht theuer zu stehen komme, konnte man aus der Badeliste oder dem Fremdenbuche entnehmen, wo sich neben vielen, denen man ihrem Stande nach ein gutes Auskommen wohl zutrauen konnte, auch manche fanden, die gewiß keinen Ueberfluß um sich verbreitet haben. Es waren in dieser Saison bisher 107 Gäste zugezogen und darunter erschienen nicht allein Pfarrer, Cooperatoren, Wirthinnen, Privaten, auch etliche gleichbedeutende „Brifate“, Handwerker, Bauern, sondern sogar manches dienende Menschenbild, das

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_265.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)