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Von Landeck über Mals nach Meran.


Dieser Weg ins Vintschgau, ins Etschland und nach Italien heißt im Lande gewöhnlich die obere Straße, während jene über den Brenner die untere genannt wird. Eine dritte fahrbare Verbindung zwischen dem Norden Tirols und seinem Süden gibt es nicht. Jene obere Straße aber geht an manchen gefeierten Stellen vorüber, die schon vielfach gezeichnet, gemalt und besungen worden sind, und windet sich allererst am Inn dahin, ist oft in den Felsen gesprengt und mühsam herausgehauen; die Gegend eng, waldig, diesseits steil abfallend, während man auf dem andern Ufer grüne Berghänge sieht, mit Dörfchen, Feldern, Obstbaumschöpfen und reichem Buschwerke. Oben auf dem Gebirge zur linken Hand liegt Fließ, ein großes Dorf, wenig sichtbar von unten, mit Ausnahme seiner beiden Kirchen, die keck an die Bergesbrüstung herausgestellt sind, zumal die eine, die mit zwei Thürmen prangend, wie eine Kathedrale auf stolzer Höhe leuchtet. Bei Fließ steht auch die ansehnliche Burg von Pideneck und eine halbe Stunde von da schließt sich die Landschaft und bildet ein Felsenthor, durch welches der grüne Inn hereinzieht. Hier starrt Wand gegen Wand, und da herüben kein Raum mehr ist, so setzt die Landstraße aufs andere Ufer. Der Uebergang heißt die Pontlatzer Brücke, ein Name, der zu den berühmten in der Geschichte der Landesvertheidigung von Tirol gehört. Die Gegend ist schauerlich und düster, eng und unheimlich. Es ist ein gut angelegter Schauplatz für blutige Thaten, und solche sind auch nicht ausgeblieben.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_258.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)