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while summer in a vale of flowers
is sleeping rosy at his feet.

Es ist dieß zwar vom heiligen Libanon in Syrien gesagt, aber es gilt auch hier von den weißen, ewigen Fernern, die in winterlicher Größe sich aufthürmen, während der Sommer im Vintschgau unten rosig zu ihren Füßen schläft. Und jetzt schlief er auch wirklich am heißen Sommermittage in südlicher Siesta und athmete nur leise durch die Rebenlauben, und während die Gletscher klar und unumwölkt am blauen Himmel ihre schneeigen Glieder zeichneten, lag ein weicher blauer Duft über dem Thale, aus welchem weithin die Schlösser und die Dörfer, die Weingelände, die Kornfelder und die Kastanienbäume dämmernd sich erhoben. Mitten drinnen strömte in schönem Zuge die Etsch und daneben schlenderte wie ein gelber Faden zwischen Büschen und Bäumen die Heerstraße daher. Auf dieser entdeckten wir weit draußen ein eiliges schwarzes Pünktchen, in dem wir allmählig den Stellwagen erkannten. Um mit ihm zusammenzutreffen, mußten wir gleichwohl auf die Schau der schönen Malereien verzichten, mit welchen Hans Schwicker Sinkmoser, der Kellner zu Tirol, die Burg hatte schmücken lassen, und so stiegen wir rasch die hohe, steile, rebenbekränzte Halde hinab, und nachdem wir, von schwerer Hitze bedrückt, das Dorf Staben, welches unten an der Etsch liegt, erreicht hatten, rollte auch zu gleicher Zeit der Stellwagen daher, der uns in seinen weiten Kasten aufnahm und in drei Stunden nach Meran brachte.


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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_257.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)