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mitten im Hochgebirge, doch schon jenseits der großen Wasserscheide und eigentlich unter hesperischem Himmel. Stattliche Männer mit großrandigen spitzen Hüten und grünausgeschlagenen braunen Jacken kamen des Weges, riefen uns mit lautem Gruße an, fragten neugierig ob wir übers Joch gegangen, und freuten sich unsrer That die sie, als von landfremden Leuten vollbracht, des höchsten Lobes würdig fanden. Darüber fast etwas aufgebläht, traten wir mit stolzen Schritten ins Wirthshaus, wo zum einnehmenden Gegensatze mit der finstern Vender Herberge an den hellen Fenstern und um den großen runden Tisch sieben oder acht kräftige Zecher saßen, die bei unserm Erscheinen alle aufstanden und uns mit rüstigen Grüßen empfingen. Auch sie sagten uns nur Ehrenvolles über unser Wagstück, und erzählten dieß und jenes von verschiedenen Fernerfahrten. Ueberhaupt wird den Schnalsern nachgeredet daß sie, frisch und aufgeweckt wie ihre Art, auch sehr ehrgeizig seyen, und etwas Großes darein setzen daß so viele fremde Herren ihre Gebirge in Augenschein nehmen. Es läßt sich noch zu ihrem Ruhme beifügen daß dieß Hochgefühl kein unthätiges ist, vielmehr ist bekannt daß sie schon oft, wenn Similaun oder ein anderes Joch bestiegen werden sollte, nicht allein unentgeltlich als Führer mitgezogen, sondern mit manchem Aufwand von Zeit und Mühe durch Aussuchung und Vorbereitung der thunlichsten Gletscherwege und Wildsteige zu solchen Zwecken behülflich gewesen sind. Auch Franz Rodi preist Joseph Rafeiners und Joseph Weitthalers, seiner Führer, Uneigennützigkeit und erzählt, daß dieselben keinerlei Entgelt für ihre Mühsal angenommen, sondern sich mit der Ehre begnügt haben. Die ernsten Vender stehen ziemlich scheu zu ihren Fernern und wollen nicht viel davon wissen; die frohsinnigen Schnalser aber nehmen die ganze Revier fast wie ihr angestammtes Reich in Anspruch, um so mehr als ihre Schafe bis gegen Vend hinab auf die Weide gehen, und sie sprechen von ihren Eiswildnissen und ihrem Similaun wie regierende Alpenkönige von ihren unterthänigen Ländern. Es ist ein großer schöner Schlag von Menschen, dem diese hochfahrenden Reden sehr wohl anstehen.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_253.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)