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Thale, kamen zuerst, nachdem wir uns von der Schrofenwand losgelöst, auf magere Wiesen, die über und über mit kleinen und großen Felstrümmern, den Zeichen ungeheurer Steinmuhren beschüttet waren, und so mehr und mehr aus der Region des Schreckens in die des Grünen, zu Zirbelnüssen und Lärchenbäumen, zu Hütten und Häusern, zu Kornfeldern und in die liebliche Au von Unsrer lieben Frau zu Schnals. Ehe wir aber so weit waren, drehten wir uns noch einmal um und besahen den riesenhaften Vorhang von Eis, der aus dem Ferner herunterhängt, und so leicht hätte unsers Lebens Ziel werden können. Dann betrachteten wir auch die Felsenwand an der wir herabgeklettert, und fanden es fast wunderlich daß wir nun gar keine Spur des Steiges mehr entdeckten, der uns ins Thal geführt. All die Aussicht über die Berge des südlichen Landes hatte sich jetzt wieder verloren. Zur linken Hand zog sich die Schnalser Landschaft in eine enge Schlucht zusammen. Auf den Höhen saßen schöne Gletscher, deren klaffende Risse blau hernieder schienen. Da drinnen, zu hinterst in dem schmalen Gelände ist der Fineilhof zu suchen, berühmt in der Sage wie der Rofnerhof, weil Herzog Friedrich, als er diesen verlassen hatte und eine neue Zufluchtstätte suchend über den Ferner gegangen war, beim dortigen Bauern eine Weile unerkannt lebte und dann den Hof auf immer „von gemeiner Obrigkeit freite.“ Die Sage läßt den Fürsten hier die Schafe hüten und auch auf dieser Seite des Ferners mit einer schönen Hirtin eine Idylle spielen, was diesseits wie jenseits seine Richtigkeit haben mag, da er ein sehr wohlgebildeter Herr war. Auf einem nahen Hofe soll damals ein Bauer, Namens Forcher, Vorherr gesessen seyn, der den Flüchtling über die Ferner geführt und dafür einen Wappenbrief erhalten habe, und es ist eine durch Freiherrn v. Hormayr wieder neuerdings angeregte Thatsache, daß der königlich bayerische Baurath Vorherr in München von diesem Beschützer Herzog Friedrichs abstammt.

Wir aber glaubten wärmere Lüfte zu fühlen, das tiefe Thal schien uns grüner, lachender als was wir bisher gesehen, und so sagten wir uns, wir seyen jetzt, wenn auch noch

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_252.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)