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Pilger wieder aufrichtet. Wie dem auch sey, die Hülfe wurde ihr mit frohem Herzen geleistet, und in Anbetracht der Freudigkeit meines Diensteifers wird mir’s die Heilige auch nicht zu hoch aufnehmen, wenn ich in meinem Glauben, der talentvolle Don Francesco habe ihr mehr Gutes nachgesagt als ihr selbst lieb sey, etwa Unrecht hätte.

Nun sind wir bald am Ende oder besser am Anfang des Paznauns. Die bunten Halden von Kappel verlieren sich wieder, die Schönheit schrumpft mählich ein, die Schrofen zeigen sich immer kecker, rücken immer näher heran und zuletzt, etwa eine halbe Stunde vor dem Schloß auf Wiesberg, geht das Thal in eine enge wilde Schlucht zusammen, wo tief unten die Trisanna braust und ober dem Haupte die Felsen sich spukhaft herauslehnen. Das Sträßchen ist aus dem rothen Gestein geräumt, das darüber wie eine Wand in die Höhe läuft. Ersteres ist ziemlich verschrien und nach langen Regengüssen auch nicht ohne Gefahr zu begehen, indem sich zu solchen Zeiten bald hoch, bald nieder, Trümmer ablösen und den Steig unsicher machen. Die zwei Regentage, welche ich in Bludenz versessen, waren auch hier nicht spurlos vorüber gegangen und an manchen Stellen lagen große und kleine Felsblöcke auf dem Weg, die erst ganz vor kurzem herabgefallen. Auch hatt’ ich ein paarmale selbst die Freude, ein bißchen vor mir solche Stückchen herunter kommen zu sehen, die sich neckisch über das Sträßchen trollten und mit tändelnder Leichtigkeit in den Schlund stürzten – ein niedlicher Anblick, so lange man nicht in den Wurf kommt. Im Winter ist’s indessen noch ärger, denn da der Weg an manchen Strecken nur auf Geschiebe ruht, so mag der Bach leicht die Unterlage wegfressen und dann kollert stellenweise der ganze Bau hinunter. So kann’s kommen, daß die Verbindung mit dem Thale oft tage- und wochenlang abgeschnitten ist.

Endlich geht’s hinab zum Wasser und über eine hölzerne Brücke. Die Schrofen weichen zurück und der Weg führt tröstlich in tiefem Thale an dem Schlosse Wiesberg vorbei, dann über die Sanna und endlich hoch hinauf zur Heerstraße, die vom Arlberge herunter kömmt, aber hier noch thurmhoch

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_149.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)