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seine schöne Tochter zur Ehe gäbe. Der Vater war solcher Worte über alle Maßen froh und freute sich der Ehre, die seinem Hause widerfahren sollte, allein Filumena widerstand und sagte, es thue ihr zwar leid, aber sie habe bereits im eilften Jahre ihres Lebens das Gelübde der Jungfrauschaft abgelegt und ihr Bräutigam sey Jesus Christus. Darauf wurde sie gemartert, wobei der Anker, die Pfeile und die Geißel, wie sie auf dem Leichensteine abgebildet, zur Verwendung kamen und zuletzt am 10 August irgend eines Jahres, das sie nicht angab, enthauptet, gerade an dem Tage, wo man sie später nach Mugnano übertragen hat. – Der Wunder, die das Innsbrucker Buch erzählt, sind unzählige und manche von der wunderlichsten Art. Hin und wieder gewinnt es den Anschein, als wolle der Herausgeber dem hohlen Aufkläricht unsrer Tage durch garstige Zweifel selbst eine Libation bringen, aber schnell sind diese Einwürfe wieder angegriffen und ihre ganze Blöße dargelegt, zumal mit dem schlagenden Grunde, daß die Wunder Gott ja keine Anstrengung kosten. Eines nur unter hunderten wollen wir herausheben, weil es so gut hierher paßt, nämlich zu unsrer Begebenheit mit dem Feldkreuz. Ein Knabe, scheinbar zu Ancona, denn genau ist’s nicht zu entnehmen, sollte ein Bild der Heiligen, das er eben gekauft, einem Ordensgeistlichen übergeben, ließ es aber in seiner Unachtsamkeit auf den Boden fallen. Der Mönch gab ihm einen Verweis, der Knabe dagegen sah auf das Bild, das er fallen lassen, und rief: O Wunder! seht, wie die Heilige aufrecht steht. Und in der That – der Mönch sah das Bild im Gleichgewicht auf dem Boden stehen, und nachdem er es lange Zeit betrachtet, nahm er es in die Hand und ließ es, um sich besser von dem Mirakel zu überzeugen, vorsätzlich wieder mehrmal fallen, wobei sich denn zeigte, daß es nicht eine Wirkung des Zufalls, sondern ein wunderbares Spiel der göttlichen Allmacht war. Dieses nun mit dem Phänomen im Feldkreuze zusammen gehalten, ergibt sich die Moral, daß die heilige Filumena, wenn sie zu Ancona auf den Boden fällt, von selbst aufsteht, bei Kappel im Paznaun aber gerne liegen bleibt, bis sie etwa ein vorüberschlendernder

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_148.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)