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Wir kehrten in der Galthütte zu. Unter einer Galthütte versteht man die Herberge der Hirten, die das Galtvieh hüten, und Galtvieh nennt man alles Vieh, das keinen Milchnutzen abwirft. Auf einer Galthütte ist daher gewöhnlich nur dürftige Erquickung zu haben: etwas Brod und Käse, was aus dem Thale heraufgeschafft wird, keine Butter, Milch nur allenfalls so viel als sich die Hirten abgespart, denn meistentheils erhalten sie bloß eine Kuh mit für ihren Leibbedarf. Der Zweck der Galthütte fordert wenig innere Einrichtung – ein paar Schlafstätten und eine Feuerstelle, ein Herd fast dem Boden gleich und ein paar rohe Bänke daran, ist alles was man braucht – keine Käsekessel, keine Milchgeschirre, keine Rührkübel – nichts von dem reichen Apparate der Sennhütten.

In der Galthütte saßen zwei Partenner; der eine ältere, ein gutgekleideter Mann, hatte sich nur auf etliche Tage zum Besuche eingefunden, der jüngere war ein ächter Hirte. Beide schmauchten, wortkarg, mißmuthig – gestern hatte es geschneit und mehrere Tag lang hatte es geregnet, das Futter war schlecht, das Vieh hatte Noth sich zu nähren. Schlechtes Wetter in den Bergen verleiht den Aelplern genau dieselbe Laune, wie Windstille auf der See den Matrosen. Doch gewann der ältere der Schmaucher nach und nach so viel Geistesfrische, um sich scheltend über den bösen Sommer zu beklagen, der jüngere stierte aber fortwährend stumm und trübe in das Feuer. Weit über dem Bache drüben sah man einen andern Jungen seine Ziegenheerde über ein Schneefeld treiben, wozu er ein Berglied sang, das fast schwermüthig herüberklang. – Im Rauche der Galthütte hing ein ausgebälgtes Murmelthier, das der eine vor etlichen Tagen erlegt; aus dem Pelz eines andern hatte er sich eine schmucke Mütze machen lassen. Zu essen fand sich nichts, die Milch war ausgegangen. Der Führer gab mir etwas von seinem Käse; dazu holte er eisiges Wasser von der nahen Quelle. Nach dieser kargen Labung pilgerten wir ohne langen Abschied wieder fort.

Wer auf der Galthütte steht, hat zwei Stunden, er mag ins Montavon nach Partenna reisen oder ins Paznaun nach

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_136.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)