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wie wir an seinem Orte bereits erwähnt, die Mädchen von Pfafflar im Gebirge zwischen dem Lech- und Innthal auf Trachtenbildern mit demselben Modius auf dem Haupte dargestellt.

Ferner mahnt uns der Bruder des Mädchens, der jetzt in Astrachan Pasteten bäckt, an die Wanderlust der Montavoner, die im Sommer fast ein Drittel der Thalbewohner in die Fremde führt, worunter aber nicht allein solche sind die die Armuth forttreibt, sondern auch ganz wohlhabende Leute, die es eben daheim nicht verleiden, wenn die andern im Frühling thalauswärts ziehen. Die Männer gehen in mehrerlei Gestalten ins Ausland, nämlich als Sensenhändler, als Krautschneider, als Maurer. Wer da noch ledig ist, dem tragt sein Lieb das Ränzel geleitend bis an die Gränze und er selbst trägt auf dem Hut einen künstlichen Blumenstrauß, den es ihm verehrt und den er heimkehrend wieder aufsteckt. Die Jungen ziehen, wenn sie noch zarten Alters sind, unter dem Schutze eines der Väter, wenn sie älter geworden, allein auf die großen Verdingstätten nach Ravensburg und Leutkirch in Württemberg oder nach andern Orten jener Gegenden, wo von Lichtmeß an von den Bauern weitumher die Hirtenbuben eingedungen werden und zwar je für eine Sommerszeit, so daß sie im Spätherbst mit ihrer Errungenschaft wieder ins Heimaththal zurückpilgern können. Heutzutage sind diese Kinderkarawanen im Abnehmen, weil der Verdienst in den Fabriken näher liegt, aber vor vierzig Jahren wanderten die Oberländer Buben alljährlich in zahlreichen Haufen mit ihren Vätern, z. B. nach Ravensburg, in die freie Reichsstadt, und zwar alsbald nachdem der Schnee geschmolzen. Jeder Knabe war mit einem Kühhorn und einem Bündel behängt, in welchem er grünen Käse und Haberbrod, seine Reisezehrung, trug. Die Reichsstädtler hatten sie lieb als ihre Frühlingsboten, und wenn einmal die Oberländer zum Thore hereinzogen, so wollten die Mädchen schon die Winterjacken nicht mehr anziehen. Dann stellten sich die Knaben vor dem Löwen und der Krone, den zwei Wirthshäusern, welchen das Oberland von uralten Zeiten her sein Zutrauen geschenkt hatte, jede Genossenschaft in einen Kreis, der Dinge gewärtig. Nun schlenderten auch die Unterländer

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_126.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)