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zur rechten und zur linken Hand leicht ahnen lassen, daß ihr dem Thale zugekehrtes Vordertheil eines Tages eingebrochen seyn möchte. Unten auf dem jetzt überwachsenen Schutte steht die Pfarrkirche von St. Antoni. Der Wirthssohn sagte, hier sey vor langen Jahren ein Bergsturz herabgekommen und habe die große und volkreiche Stadt Prazalanza überdeckt. Die wunderliche Mähre erhält etwas Aufklärung durch eine andre Sage, welche behauptet, daß die Kirche von St. Antoni in uralten Zeiten von Herrn Otto von Zalanz gestiftet worden. Diese Burg Zalanz ist jetzt nirgends mehr zu finden. Wahrscheinlich liegt sie verborgen und vergessen gerade unter dem Schutte und dieser heißt daher Pra de Zalanza, Prazalanza die Wiese von Zalanz. Daß aus dem Schlosse des frommen Ritters Otto in der Sage eine große Stadt geworden, ist nicht zu verwundern, aber seltsam ist was mein Gewährsmann noch beisetzte, nämlich das Andenken an die untergegangene Stadt sey im Montavonerthale gänzlich verkommen und habe kein Mensch mehr etwas davon gewußt, bis einmal – auch schon vor geraumer Zeit – wandernde Leute aus dem Thale nach Frankreich und in diesem Lande in eine Kirche gerathen seyen, wo der Priester eben zur Buße gepredigt und seinen Zuhörern in Christo als warnendes Exempel den Untergang der großen und reichen, aber in Sünden verfallenen Stadt Prazalanza im Montavon vor Augen gehalten habe. Erst aus Frankreich und aus dieser Predigt sey wieder die Wissenschaft ins Thal gekommen, daß hier eine Stadt verschüttet liege. Weizenegger erwähnt dieser Sage auch, sagt aber die gedachte Predigt sey eines Tages im Wallis gehalten worden und beziehe sich auf den Flecken Plurs bei Chiavenna, der bekanntlich im Jahre 1618 von den Trümmern des Contoberges bedeckt wurde.

Allmählich erreichte ich nun jene Gegend, wo in einer Weitung des Thales zu beiden Seiten der Ill, die hier in mehrere Arme auseinanderläuft, die zwei Hauptdörfer des Montavons, Schruns und Tschagguns liegen, Schruns, zwischen zwei Halden eingeklemmt, ein zum Theil aus Steinen gebauter, reinlich geweißter, aber eng zusammengedrängter, unebener

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_117.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)