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in die Zeit der Christenverfolgungen. Damals sind sie nach der Sage als Flüchtlinge auf die Wiesen von Damils gekommen und, verzagt und scheu, hielten sie sich noch lange Zeit verborgen und abgeschieden von der Welt. Eines Tages aber verfolgten zwei Grafen von Montfort das Walserthal entlang einen Hirsch, und während den einen sein Leithund auf den Tannberg führte, gelangte der andere nach Damils, wo er höchlich überrascht war, statt der Wildniß menschliche Wohnungen zu finden. Die Hirten sagten ihm sofort daß sie Flüchtlinge seyen, und auf dieß versprach er sie zu schützen. Und nachdem sie ihn so gut sie konnten bewirthet hatten, verlangte er sie sollten ihn abwärts geleiten, den Argenbach hinunter. Dieß geschah alsbald, und sie führten den Grafen in den innern Wald, an den Ort wo jetzt die Au steht, wo aber damals noch weit und breit unbewohnter Hochwald war. Die Stelle gefiel dem Herrn der Jagd wegen, und er baute sich daselbst ein Jagdhaus, wovon noch heutigen Tages, wie oben gedacht, der Häuserhaufen um die Kirche in der Au Jaghausen genannt wird. Von da an blieb Damils bei den Montforten, und die Leute haben noch allerlei von ihnen zu berichten, wie sie ihnen nämlich die Kirche gebaut und die alten Freiheiten gegeben haben. Diese wurden später von den Herzogen zu Oesterreich und ihren Nachfolgern in Tirol bestätigt. Das große pergamentene Buch der Privilegien, die Kaiser Leopold I am 17 Junius 1678 erneuert hat, ist mit mächtigem Insiegel versehen in der Kirchenlade hinterlegt. Es enthält die Abschriften der alten Freiheitsbriefe, deren ersten 1390 Raimund von Wahingen, der Landvogt zu Feldkirch, im Namen Herzog Albrechts zu Oesterreich ertheilte. Darauf folgen noch fünf andere von Herzogen, Erzherzogen und Kaisern. Angehängt sind in 36 Artikeln das Damilser Erbrecht und das Kauf-, Zug- und Abzugsrecht. In den ältern Briefen haben die Herzoge zu Oesterreich „ihren lieben und getreuen, ihren Leuten, den Walsern zu Tamüls", bestätigt daß ihnen, wenn sie mit Schild und Speer zu Kriegsdiensten aufgerufen würden, der Landesherr den Unterhalt auf seine Kosten zu reichen habe; auch sollten sie nie verpfändet werden. Die erste Anerkennung dieses alten Walserrechts wollen also die Damilser

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_102.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)