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hohen Incognito, während wir doch nichts anders waren als drei Zecher voll Einfalt und Menschenliebe.

Der Anfang war also ganz gut gerathen, und als wir so unter verschiedenen Gesprächen – jeder seine Flasche Champagner im Kopfe und das grüne Walserthal im Auge – der Kirche von Hirscheck näher kamen, gedachten wir einer jungen Frau, einer Wälderin, die wir Tags zuvor in der Sonne zu Oberstdorf getroffen und die uns eingeladen hatte auf Hirscheck im Adler zuzukehren, wo sie „wirthe." Deßwegen mochten wir auch diesem Hause nicht aus dem Wege gehen, oder vielmehr wir kletterten eigens zu ihm hinauf, da es eine kleine Strecke oberhalb des Sträßchens liegt. Ehe wir’s aber erreichten, hatten uns die Leute schon ersehen und sie, die frische Wälderin, und ihr Mann, der Walser – er war aber ein kleiner Kerl, hatte nur ein Bein und statt des andern einen hölzernen Stelzfuß – beide also lachten uns schon von weitem an, freuten sich über die Maßen daß wir Wort gehalten und führten uns schmeichelnd in die helle Stube, die abermals so reinlich getäfelt und so blank gescheuert war, daß man viel lieber hineinging als heraus. Auch ein Wandschrein war da zu sehen, von sehr kunstreicher Arbeit, den ein Kistler aus dem Thale gemacht hat. Als wir uns gesetzt, mußten wir zuerst sagen woher wir wären, und dann ging die Plauderei lauffeurig fort. Es ist nicht zu beschreiben, was uns die Leute alles für Ehren anthun, was sie uns alles kochen, sieden, braten, backen, rösten und richten wollten, so daß wir uns fast grämten nicht das kleinste Trümmchen Hunger mitgebracht zu haben. Hei, was hüpfte da der einhaxige *)[1]


  1. *) Haxe, besser Hachse, althochdeutsch hahsa,poples, Fuß überhaupt, ist ein classisches oberdeutsches Wort. Da man jetzt „einsehen gelernt, daß für unsere hochdeutsche Schrift und Umgangssprache, die in ihrer künstlichen Ausbildung und Verfeinerung die ursprüngliche Zeugungskraft fast gänzlich eingebüßt hat, in den Mundarten eine unerschöpfliche Quelle der Bereicherung und Wiederbelebung fließe," so sind in diesem Buche mehrere einschlägige Wörter zeitgemäß wieder hervorgezogen worden, weßhalb man sich im vorhinein alles Halloh über Provincialismen verbittet.
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_079.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)