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hinüberbringen und neue Aufträge holen, heißen die Stücklefergen, vom alten deutschen Worte: Ferge, das aus den Nibelungen bekannt ist. Gustav Schwab erzählt von einer weißen Schlafmütze, die der Bräutigam als Liebespfand gewöhnlich nicht lange vor der Ehe erhalte, und werde diese Gabe ebenfalls von der zarten Hand der Jungfrauen auf dem Tamburin gearbeitet. Die Wälderinnen wollen nichts mehr von dieser Schlafmütze wissen; aber das gestehen sie ohne Erröthen, daß dem „Buobe" hin und wieder eine von Gold- und Seidenfaden gestickte Hutbinde mit seinem Namen zugesteckt werde. Diese Binde, und nur sie ist es, die jetzt noch von der Hand der Liebe geklöppelt wird.

Die Tracht der Männer des Bregenzerwaldes hat nichts Auffallendes mehr – sie ist jene ländlich städtische, welche die Landleute des Rheinthals und der Ufer des Bodensees angenommen haben. Dagegen ist die der Mädchen und Frauen ganz eigens ausgedacht und findet wohl nirgends ihr Aehnliches. Auf dem Haupt sitzt eine hohe kegelförmige Mütze von schwarzer Wolle, Kappe genannt. Den Hals verhüllt bis unter das Kinn ein schwarzer, eng anliegender Sammtsteck, das Goller. Das Goller setzt der ebenfalls schwarzsammtene Brustfleck fort, von dem indeß nur ein Streifen sichtbar ist, auf welchem die Anfangsbuchstaben des Namens eingestickt sind. Das Hauptstück der ganzen Gewandung ist aber die eigenthümliche Juppe, ein schwarzes, leinenes, ärmelloses Hemd, das um die Hüften ein lackirter Ledergürtel zusammenhält, der ehemals in massiven Gold- oder Silberbuchstaben den Namen seiner Herrin trug, welche Aufgabe jetzt, wie bemerkt, dem Brustfleck geworden. Dieses Hemd, das etwa bis an die Knöchel reicht, ist von oben bis unten in unzählige Fältchen gebiegelt und geglättet und gewinnt dadurch einen seltsamen metallischen Glanz. So hat die volle Tracht der Wälderinnen in ihrer verhüllenden Züchtigkeit, mit dem schimmernden schwarzen Rock etwas Ernstes, Frommes, Priesterliches, das zu ihrem hohen schlanken Wuchse trefflich stimmt. Noch vestalischer muß das Gewand ehemals ausgesehen haben als die Juppen noch weiß waren. Diese weißen Juppen haben sich im dreißigjährigen

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_055.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)