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Was sie draußen im Flachland für unersteigliche Jöcher in der Kette der Alpen anschauen, das sind hier nur die nächsten Dorfhügel, auf welche die Krumbacher Jugend zur Abendzeit hinaufklettert um die Sonne untergehen zu sehen. Der Bergstock, der zur rechten Hand sich erhebt, ist der Widderstein. Seine höchste Spitze hat eine Höhe von 8000 Fuß und eine Aussicht, die bis München reicht. Vor nicht langer Zeit sah man noch auf dieser Kuppe, wie glaubwürdige Augenzeugen versichern, einen zugehauenen Balken von beträchtlicher Größe. Wie er so hoch hinauf gekommen, wußte Niemand zu erklären, und die Volksmeinung hielt ihn daher für ein Stück von der Arche Noä. Den zu derselben gehörigen eisernen Anker will man auf einem Berge bei Telfs im Oberinnthale gefunden haben.

Ein Wirthshaus ist in Krumbach nicht zu erfragen, aber die gastfreundliche Aufnahme in den Hütten entschädigt für den Mangel. Die Einwohner leben fast allein von Milch, Butter, Käse, Schotten und schwarzem Brode; darnach ist auch die Bewirthung. In dem Häuschen, wo ich zusprach, waltete ein Mädchen von Mittelberg, das jenseits des Widdersteins tief unten im Thale liegt – eine Walserin, aus demselben merkwürdigen Stamme, der sich ferner Abkunft aus dem Wallis rühmt. Sie erschien in jener seltsamen Kleidung, die ich später zu Damils wieder sehen sollte, nur daß die Walserinnen von Mittelberg schwarze Röcke tragen und jene im innern Walserthale rothe. „Ich bin eine Walserin," sagte die Sennmaid schon im allerersten Stadium unsers Gesprächs mit Selbstgefühl, gleich als sollte dieß eine Warnung seyn, daß ich sie nicht in eine Reihe mit den andern Jungfrauen des Alpendörfchens setze, unter welche sie nur gekommen war, um die Sommerfrische zuzubringen. Alles was sie aufzubieten hatte aus den Erträgnissen ihrer Sennerei war gut gerathen, insbesondere das Schottengsig, ein gelbbrauner, fester Einsud der Molken von süßem, scharfem Geschmacke. – Außen war die Küche mit dem großen Herde, der aus mächtigen Felsblöcken erbaut, den schwarzen Käsekessel über sich hängen hatte. Innen war eine lieblich geheizte Stube, und als ich noch

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_042.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)