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Schriften der Gemeinde übergeben werden. Herr Falger hat bei seinen Arbeiten insbesondere viele Mühe darauf gewendet die Auswanderung aus dem Lechthal von ihren Anfängen an historisch darzustellen. Er besitzt eine Aufzählung der im Jahre 1699 in die Fremde gegangenen Maurer, welche besagt daß es deren schon damals 644 waren. Maurerei scheint also der erste Erwerbszweig der Emigration gewesen zu seyn und diese sich erst später auf feinere Geschäfte geworfen zu haben. Seit Menschengedenken war sie nun, wie schon oben bemerkt, hauptsächlich auf den Schnittwaarenhandel gerichtet, und es haben sich damit, nach Herrn Falgers Zusammenstellung, in dem Zeitraum von 1780 bis 1820 an dreihundert Personen unter 156 Firmen beschäftigt. Mehrere dieser Betriebsamen sind, wie schon erwähnt, bis nach Amerika gekommen. Christian Sprenger von Untergieblen z. B. lebt noch heutzutage als der Herr eines der größten Handlungshäuser in New-York. Ein Sohn seiner Schwester, Joseph Anton Schnöller, der mit ihm 1811 über den Ocean geschifft, ist gegenwärtig ebendaselbst Stadtpfarrer – andrer weniger hervorleuchtenden Namen ganz zu geschweigen.

Indessen haben die Lechthaler nicht allein in der neuen Welt gewirkt, sondern auch unser altes Europa hat ihnen manchen Ehrenmann zu verdanken und sogar einen künstlerischen Namen von hohem Ansehen, nämlich den Maler Joseph Koch. Dieser ist zu Obergieblen am 27 Julius 1768 – nach andern 1770 – geboren, in einem Häuschen, das ich gleichwohl nicht genau erfragen konnte, denn die Obergiebler scheinen von der spätern Berühmtheit ihres Landsmannes nur sehr spärliche, bald wieder verschollene Nachrichten eingezogen zu haben. Kochs Vater war von Leermoos gebürtig, ein armer Citronenhändler, der eines Tages auf der Wanderschaft zu Koblenz eine wohlgestalte und guterzogene Rheinländenin erheirathete. Später ließ er sich zu Obergieblen nieder und lebte da mit eilf Kindern behaftet in großer Dürftigkeit. Der junge Genius, von dem die Rede, besuchte die Schule zu Elbigenalp und fiel dem Lehrer, der ein ehemaliger Waldbruder war, bald dadurch auf, daß er alle seine Schulpapiere mit Gestalten überzog.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_030.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)