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München nach Salzburg und von da über Innsbruck nach Hohenschwangau. Dabei fährt man ungern am Posthause in Reute vorüber, wo es, wie weit und breit bekannt, einen trefflichen Wein und überlegene Forellen gibt. Auch solche die im Flachlande draußen alt geworden und auf ihrem Lebensgange wenigstens einmal einen Blick ins Hochland zu thun wünschen, sammeln sich gern in diesem Flecken, dessen vorgeschobene Lage den Besuch so bequem macht. Ueberdieß lockt noch die Freundlichkeit des Ortes selbst, die Trefflichkeit der Verpflegung und die Schönheit der Gegend, die in den Niederungen so mild, in der Höhe so groß erscheint. Es findet sich nicht überall das prächtige Zusammenspiel von Bergen wie der Säuling, dessen schroffe Kuppen hoch aus dem Fichtenwald ragen, der Tauern beholzt bis zur Höhe, der Tarneller mit vollgeschneiten Rissen gestriemt bis zur Hälfte herab, wie die nahen Aschauer Höhen, reich an Alpen und in vielen Spitzen emporbrechend, und in der Ferne der mächtige Stock weißer Lechthaler Hörner. Auch ist am ganzen Saum des Gebirges wohl schwerlich ein Ort zu treffen, von welchem aus schönere und bedeutsamere Lustfahrten anzustellen wären. Den Lech hinab zieht Füßen und Hohenschwangau; links im kleinen Seitenthal winkt das winzige Städtchen Vils mit dem sehenswerthen Thurm von Vilsegg, welchen schauerliche Sagen unheimlich machen, und mit der stolzen Ruine Falkenstein, die auf schwindelnd hohem Felsengrate weit hinaus ins Flachland sieht. Dicht bei Reute liegt das viel ältere Breitenwang, in dessen Kirche noch jetzt der Marktflecken emgepfarrt ist. Dieß ist das Dorf, wo im Jahre 1137 auf der Heimfahrt aus Wälschland Kaiser Lothar der Sachse starb. Noch wird das Häuschen gezeigt, in dem der hohe Herr seinen letzten Seufzer aushauchte. Jetzt ist es wieder neu gebaut, doch hat man von der alten Hütte wenigstens etliche Balkentrümmer aufbewahrt, welche die Raritätenliebhaber wohl bald als Splitter in die weite Welt verführt haben werden. Da es übrigens ein hölzerner Bau gewesen, so ist es sehr zweifelhaft, ob aus der Zeit, in welcher die Hütte historisch merkwürdig geworden, nur noch eine handbreite Diele übrig war, als sie den jetzigen Neubau aufführten. Nichtsdestoweniger

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_020.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)