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Schweren Herzens werden jetzt alle Anderen von der trauten Stätte ihres Wirkens scheiden. Man rüstet zum grossen Exodus. Der Demolirarbeiter pocht an die Fensterscheiben – es ist die höchste Zeit. In Eile werden alle Literaturgeräthe zusammengerafft: Mangel an Talent, verfrühte Abgeklärtheit, Posen, Grössenwahn, Vorstadtmädel, Cravatte, Manierirtheit, falsche Dative, Monocle und heimliche Nerven – Alles muss mit. Zögernde Dichter werden sanft hinausgeleitet. Aus dumpfer Ecke geholt, scheuen sie vor dem Tag, dessen Licht sie blendet, vor dem Leben, dessen Fülle sie bedrücken wird. Gegen dieses Licht ist das Monocle blos ein schwacher Schutz; das Leben wird die Krücke der Affectation zerbrechen …

Wohin steuert nun unsere junge Literatur? Und welches ist ihr künftiges Griensteidl?

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Karl Kraus: Die demolirte Literatur. Wien: A. Bauer, 1899, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_demolirte_Literatur_Kraus_43.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)