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und vermehrter Wunsch wird die vermehrte Wachsamkeit überwinden. Das Geheimnis wird den Reizverlust, den es durch die Publizität erlitten haben könnte, durch den Gewinn an Gefahr reichlich hereinbringen. Und der Schrecken selbst —— unseliges Erbe der konvertierten Lust! —— zieht an, der blutige Schein verführt, und auf die ferne Welt hat die Entdeckung gewirkt, als ob der Taifun über den Ozean eine erotische Glutwelle geworfen hätte. Und bei dem Gedanken an China, vor dieser zauberhaften Individualität der mongolischen Masse wird jeder weiße Mann zum Hahnrei. Die gelbe Gefahr ist dem Lebensnerv der christlichen Kultur von einer Richtung nahegekommen, in die die Völker Europas nicht gelugt haben. Wenn sie ihre heiligsten Güter, die Reinheit der Gattin und die Virginität der Tochter, wahren wollen, mögen sie dazu schauen. Der Chinese legt auf beide nicht den geringsten Wert, aber er wird sie ohne Schwertstreich erobern. Gegen eine Rasse, die ihre Naturnotwendigkeiten nicht mit der Bagage des Gewissens bepackt hat, ist aller Widerstand hoffnungslos. Ein Volk, das sich daheim nicht im Bürgerkrieg der Sitte gegen die Natur zerreiben muß, zieht ungeschwächt ins Feld. Wenn sie kommen, die Weiber werden sich ergeben; und die Männer, die längst Weiber sind, werden sich auch nicht lange sträuben. Eine Nation, die die Virginität verabscheut und ihre neugebornen Töchter durch eine Operation dem künftigen

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Karl Kraus: Die Chinesische Mauer. Leipzig 1914, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Chinesische_Mauer_(Kraus)_27.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)