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den alten Mythenschatz unseres Volkes nachwies. Wie dort so möchte ich auch hier dringend bitten, daß jeder der das Glück und den Beruf hat, Märchen sammeln zu können, sich keine Gelegenheit dazu entgehen lasse, „da diejenigen die sie bewahren sollen, immer seltner werden,“ da „von den Verkehrtheiten des Lebens die Phantasie immer mehr ausgelöscht“ wird. Lasse man sich ja nicht einfallen, daß nichts mehr zu sammeln sei, es liegt noch viel mehr zu sammeln da, als bereits gesammelt worden und auch jede Variante eines Märchens hat ihre hohe Bedeutung. Der Pflanzenkundige forscht sorgfältig nach der Gestaltung jedes Blumenblattes, nach der Bildung jedes Kelches und der grünen Finger, welche den Kelch der Blume halten, ihm ist jede Spielart wichtig und er lernt an ihr die Familie mehr kennen, zu welcher die Blume gehört. Also ist es auch mit dem Märchen; auch es kennt ganze Familien und kein Zug ist so gering, daß der Kundige aus ihm nicht Belehrung schöpfen könnte. Und wir haben da noch so viel zu lernen! Die meisten Märchen sind uns noch Urkunden in Hieroglyphen, deren räthselhafte Züge zu erforschen wir kaum begonnen haben. Wenn irgendwo in der Wissenschaft, dann gilt hier das Wort: „Noch viel Verdienst ist übrig, hab es nur, die Welt wird's anerkennen.“

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite XI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_A11.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)