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flog des Königs Thüre auf und die schöne Jungfrau trat mit freudelachenden Blicken herein und sprach: „Schönen Dank, mein lieber getreuer Johannes Erlöser, daß du kommst. Unsere Erlösung ist nahe, morgen essen wir alle mit euch an Einem Tische und schlafen mit euch in denselben Betten, doch darf keiner mit uns sprechen und keiner uns berühren. Thuet so wie ich sage und wir alle sind glücklich auf ewige Zeiten.“ Der König versprach es mit Freuden und schärfte am Morgen seinen Söhnen wohl ein, wie sie sich zu verhalten hätten. Mittags war die Tafel für sechsundzwanzig Personen gedeckt und zur bestimmten Zeit traten die Jungfrauen ein, grüßten stumm sich verneigend die Prinzen und setzten sich mit ihnen zu Tische, die Aelteste zum Aeltesten und so fort bis zur Jüngsten, welche neben dem Jüngsten saß. Die Prinzen thaten jeder, als sei er ganz allein am Tische und sahen kaum die Jungfrauen an und wenn einer oder der Andere etwa einen Blick wagte, dann klopfte der König mit dem Messerstiel auf den Tisch und alsbald sahen sie wieder vor sich. Abends durften sie nicht einmal ihre Kleider ablegen; als sie schon einige Zeit zu Bette gegangen waren, machte der König die Runde und winkte jedem noch einmal mit dem Finger, da lagen sie steif und starr, wie die Bildsäulen. So ging Alles gut bis gegen Morgen. Da knallte es, als wenn zehnmalhunderttausend Kanonen losgeschossen würden, zugleich stürzten die Prinzessinnen den Prinzen um den Hals und küßten sie und begrüßten sie als ihre Erlöser, nur die schönste Jungfrau, welche bei dem Könige lag, küßte ihn nicht sondern reichte ihm bloß ihre

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_353.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)