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lang auf einem Fleck weidest, ohne daß sie magerer oder fetter werden und ohne daß du eins von ihnen verlierst oder daß ihrer mehr werden, dann bekommst du meine Tochter ganz gewiß.“ Der Fleck war aber so klein, daß die hundert Schafe kaum darauf stehen, vielweniger ordentlich darauf weiden konnten, und außerdem war das Gras sehr dünn gesäet. Doch das ängstigte den Jüngling nicht; er trieb die Schafe hinaus und Abends herein und pfiff lustig dazu, ließ sie gar übers Stadtthor springen, wenn es geschlossen war und im Schloßhof aufmarschiren, wie ein halbes Bataillon Soldaten, so daß Jedermann seine Freude daran hatte. Mitunter verlief sich wohl eins, oder es starb eins, doch das that nichts, denn sobald er pfiff, warf ein anderes ein Junges, welches alsbald wuchs und so groß ward, wie die andern. Dazu lernten die Schafe jeden Tag schöner tanzen, so daß sie es am Ende des Monats trotz dem besten Tanzmeister verstanden. Kurz der Jüngling brachte auch diese Aufgabe zu Stande und da konnte der König, wie sehr er sich auch ärgerte, doch nichts weiter einwenden und mußte ihm seine Tochter zur Frau geben. Die Heirath aber wurde sehr prächtig gefeiert und der Jüngling war glücklich für sein Leben lang. Als er später König wurde, machte er seinen Vater zum Minister und gab auch seinen Brüdern hohe Stellen, so daß sie alle gut versorgt waren.

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_327.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)