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Der Jüngling im Feuer und die drei goldnen Federn.

Zwei blutarme Leute hatten ein Kind, das war ein Knäbchen und war gar schön und gut, so daß sie ihre größte Freude an ihm erlebten. Das dauerte aber nicht lange, da starb der Mann und der armen Frau ging es herzlich schlecht und sie kam in bittere Noth. Darüber grämte sie sich so sehr, daß sie sich hinlegte und ihrem Manne nachstarb. Also stand das arme Kind ganz mutterseelenallein in der Welt und hatte Niemanden, der sich seiner annahm. Es bettelte sein Brod an den Thüren und kam so jeden Tag in des Königs Schloß, da gab ihm der Koch die Reste, welche auf den Tellern übrig geblieben waren, die aß es im Schloßgarten unter einem Baume. Nun hatte der König ein Töchterchen, das war an demselben Tage geboren, wie das Knäbchen, und lief jeden Mittag nach Tische in den Garten, um zu spielen. Da sah es denn jedesmal, wie das arme Kind die geringen Bissen so gierig verschlang und das that ihm sehr leid, denn es hatte ein gutes Herz. Es holte ihm Brod und Geld und gab ihm seine abgetragenen Kleidchen, brachte auch Spielsachen mit und die beiden Kinder spielten ganze Tage miteinander. So wuchsen sie auf und wurden größer, da nahm das Knäbchen im Schlosse Dienst und wurde als Hirte über das Federvieh gesetzt.

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_312.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)