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andern in den Mund. Als sie ihn recht voll gestopft hatte, so daß er sich kaum mehr regen konnte, packte sie ihn am Kragen und rief: „Nun steh auf und mache, daß du in dein Bett kommst, ich kann dich nicht hinein tragen. Nur nicht lange dagesessen, rasch, sonst schläfst du mir noch ein.“ Da raffte er sich langsam auf und wankte nach dem Bette zu; plumps fiel er hinein, sie schob die Beine nach und es dauerte keine zwei Minuten, da blies er schon, wie ein Blasbalg und bald schnarchte er, daß man's weit im Walde hörte.

Da rief die schöne Frau dem Jüngling zu: „Nun merke wohl auf, was er sagt, wenn ich ihn frage;“ sie legte sich zu dem Menschenfresser und stieß ihn derb in die Seite. Er fuhr auf und brummte unwirsch: „Was fällt dir ein, du Närrin?“ Sie sprach: „Mir träumte, ein König habe einen Baum mit goldnen Früchten gehabt, jetzt trage er aber keine mehr, was mag die Ursache davon sein?“ „Das weiß ich,“ knurrte der Menschenfresser; „eine von den Kammerjungfern der Prinzessin hat heimlich ein Kind geboren; sie hat es getödtet und an der Wurzel des Baumes begraben. So lange das unschuldige Blut um Rache schreit, kann der Baum keine goldnen Früchte tragen; wird es aber hinweggenommen und sie bestraft, dann trägt er noch reichlicher als vorher.“ Und nachdem er dieß gesagt hatte, legte er sich aufs andere Ohr und schlief wieder ein.

Ueber eine Weile gab sie ihm abermals einen Rippenstoß, so daß er auffuhr und brummte: „Was willst du denn schon wieder?“

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_189.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)