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und steckte den Ring an den Finger; sogleich war ihm, als würde er ein ganz andrer Mensch und als flösse ganz neues, frisches Blut in seinen Adern. Er sprang in einem Satz an die Wand, faßte das Schwert und schwang es, wie einen Zierdegen, deßgleichen die Hofherren zu tragen pflegen.

In demselben Augenblick hörte er in dem Schloß ein Laufen und Rennen, als wenn hunderte von Leuten durcheinander liefen, die Thür flog auf und drei Diener in prächtigen Anzügen kamen herein und fragten: „Was befiehlt unser König und Herr?“ Im ersten Augenblick stutzte der Prinz, aber er faßte sich bald und sprach: „Es soll der schönste Wagen an den Wald fahren und meine Mutter abholen.“ Die Diener verneigten sich und eilten fort. Jetzt sah er sich weiter in dem hohen Saale um und fand in einer Ecke ein Bett, das stand hinter einem Vorhang und darin schlief ein alter Mann mit grauen Haaren, aber mit einem falschen Gesicht, aus welchem man nicht viel Gutes herauslas. Der Prinz versuchte ihn zu wecken, aber der Greis brummte nur so etwas in den weißen Bart hinein, dann wandte er sich auf die andere Seite und schlief wieder ein. Jetzt kam seine Mutter an und freute sich recht über das schöne Schloß, darin sie nun wohnen sollte, aber in ihrem bösen Herzen brütete sie über der Rache und dachte Tag und Nacht nur nach, wie sie den guten Prinzen verderben könne. Sie that aber nur um so freundlicher gegen ihn und sagte ihm jeden Tag aufs neue vor, wie sie so glücklich sei, einen solchen Sohn zu haben und daß sie ihn mehr liebe, als Alles in der Welt.

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_149.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)