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dem Recht muß sein Lauf gelassen werden.“ Der Prinz meinte, das Herz müsse ihm vor Leid zerspringen, als er das hörte, ach er hätte Alles so gern nicht geglaubt und er konnte doch am Ende nicht anders.

Am folgenden Tage wurde Gericht gehalten und da sich die Prinzessin gar nicht vertheidigte und kein Wort sprach, so wurde sie zum Tode am Galgen verurtheilt. Als der Tag herankam, wo das Urtheil sollte vollstreckt werden und man die schöne Prinzessin in groben Kleidern auf den Richtplatz führte, da war Trauer in der ganzen Stadt und wurde mehr geweint als gelacht. Auf dem Richtplatz war ein schwarzer Thron aufgeschlagen, worauf der Prinz saß, denn es war Sitte im Lande, daß Niemand hingerichtet werden durfte, als in Gegenwart des Königs oder eines Prinzen. Als er seine Frau sah, da brach er in Thränen aus, denn er glaubte immer noch sie müsse unschuldig sein und hielt sich beide Hände vors Gesicht, damit das Volk nicht sähe, wie bitterlich er weinte. Sie bat aber, man möge ihr nur eine Gnade schenken, bevor sie sterbe. Das wurde ihr zugesagt und sie sprach: „Dann lasset mich einen Augenblick mit dem frommen Pilger, der dort steht, in dem Kapellchen allein beten und mich zum Tod vorbereiten.“ Da schloß man ihr dies Kapellchen auf und sie trat mit dem Pilger hinein. Der hatte aber ihre Harfe unter seinem Mantel verborgen und auch die Kleider, in welchen sie vor dem Sultan gespielt und die beiden Prinzen erlöst hatte. Diese zog sie in der Sacristei rasch an, färbte ihr Gesicht und nahm die Harfe in die Hand. Also trat sie heraus

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_114.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)