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Der Wirth war ein gar freundlicher und guter, dabei auch ein grundgescheiter Mann und er sah mit Schmerzen, wie sein Gast immer kränker und bleicher wurde. Oft versuchte er es, den Soldaten zum Bekenntniß zu bringen, was ihn drücke, aber der war nicht so leicht zum Sprechen zu bewegen. Endlich aber platzte er dennoch los und vertraute dem Wirth seine ganze Geschichte. „Wenns nichts weiter ist, sprach der Wirth, dann ist dir leicht zu helfen; schaffe mir nur zwei Tönnlein Gold; ich verlange für mich keinen Deut davon, denn ich bin reich genug, ich muß sie aber haben, um die nöthigsten Auslagen für dich bestreiten zu können.“ Da war dem Soldaten leicht ums Herz; er schrieb seinem Bruder ins Gefängniß, daß er ihm sogleich die zwei Tönnlein Gold in das Wirthshaus sende und es währte keine acht Tage, da kamen sie schon an.

Nun ließ der Wirth zwei sehr geschickte Goldschmiede kommen, die mußten einen großen, großen Hirsch von Gold machen, der bekam Augen von dunkelm Glas, fein zum Horchen aufgerichtete Ohren und war innen hohl; auf dem Rücken war aber zwischen den dichten goldnen Haaren eine Thüre so fein angebracht, daß man sie unmöglich sehen konnte. Dann mußte auch ein Glockenmeister herbei; der machte aus lauter kleinen und großen silbernen Glöckchen ein Glockenspiel, welches so wunderbar schöne Lieder spielte, daß es das größte Meisterstück war, welches man noch gehört hatte. Das wurde in dem Kopf des goldnen Hirsches angebracht und war ein Schnürchen daran, welches in das Innere lief; zog man einmal daran, so fing das Werk an zu spielen,

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_076.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)