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Die schlechten Kameraden.

Ein Schuster und ein Schneiderlein gingen mitsammen auf die Wanderschaft; sie gelobten einander treu beizustehn, zusammen zu halten in Freud und Leid und was der Eine hätte, müsse auch der Andere haben. Sie fanden aber nirgendwo Arbeit und da ihnen das Fechten nicht länger behagte, so nahmen sie Dienst unter den Soldaten. Es war nämlich schon seit langer Zeit Frieden und kein Krieg zu fürchten, so daß ihr Muth keinen Schiffbruch leiden konnte.

Das Schneiderlein hatte flinkere Beine, wie der Schuster und kam viel schneller vorwärts; auch verstand es den Mund recht voll zu nehmen und machte viel Wesens von seiner Tapferkeit, wie es immer muthig zugestochen habe und wie es sein Eisen geführt, daß die Lappen gefallen seien und wie es stets kalten Blutes vorm Feuer gestanden. So wurde es bald Gefreiter, dann Unteroffizier und brachte es endlich selbst zum Feldwebel. Je höher es aber rückte um so hochmüthiger wurde es und zuletzt kannte sein Stolz keine Grenzen mehr. Am meisten litt der arme Schuster darunter. Der Dienst wurde ihm endlich so verleidet, daß er eines Abends sein Bündel schnürte und weglief, als ob es hinter ihm brenne.

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_065.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)