kindliche Arglosigkeit inmitten all der flammenden Wünsche die sie entfesselte, zu heucheln.
Fernand war, zur Zeit des allgemeinen Aufbruches, den sie beschleunigte, noch nicht gekommen.
Auch der junge Offizier blieb hartnäckig zurück, er enthielt ihr die gewohnte tägliche Ration poetischer Anbetung vor, indem er forderte ihr seine Verse persönlich vorlesen zu dürfen.
Und als sie sich mit einer Wendung ihres schmiegsamen Körpers auf den Rand eines Sofas niederließ, die Ellenbogen sanft aufstützte und durch ihre schneeigen Arme den jungen Poeten blendete, wurde er so verwirrt, daß er nur auf den Knien zu ihr sprechen konnte.
Stella hielt die Verse für mittelmäßig, weil ihr Autor pockennarbig, schlecht gewachsen war, und ein unbedeutendes Gesicht hatte. Sie lächelte kaum, ärgerlich, daß er ihr sein Gedicht verdarb, und mit Verdruß dachte sie daran, daß sie diese Verse ohne Zweifel wundervoll gefunden hätte und geeignet, sie zu einer verliebten Narrheit hinzureißen, wenn Fernand, ganz nahe bei ihr, und in derselben Stellung, sie ihr vorgelesen hätte.
Marie Tihanyi Sturza: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Arthur Cavael, Leipzig 1905, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Geluebde_einer_drei%C3%9Figj%C3%A4hrigen_Frau_Sturza.djvu/244&oldid=- (Version vom 31.7.2018)