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ist aber nicht der Fall, es sind auch keine zur Absonderung der gehörigen Flüssigkeit angepaszte Drüsen vorhanden. Nichtsdestoweniger wurden, um ihre Verdauungsfähigkeit auf die Probe zu stellen, minutiöse Fragmente gerösteten Fleisches, drei kleine Würfelchen von Eiweisz und drei dergleichen von Knorpel durch die Mündung in die Blasen kräftiger Pflanzen geschoben. Sie wurden einen bis drei und einen halben Tage lang darin gelassen und die Blasen dann aufgeschnitten; aber keine einzige der erwähnten Substanzen liesz auch nur das mindeste Zeichen von Verdauung oder Auflösung erkennen; die Kanten der Würfel waren so scharf wie je. Diese Beobachtungen wurden später gemacht als die an Drosera, Dionaea, Drosophyllum und Pinguicula, so dasz ich mit der äuszern Erscheinung dieser Substanzen, wenn sie sich in den früheren oder letzten Stadien der Verdauung befinden, wohl vertraut war. Wir können daher schlieszen, dasz Utricularia die Thiere, welche sie gewohnheitsgemäzs fängt, nicht verdauen kann.

In den meisten Blasen sind die gefangenen Thiere so stark zersetzt, dasz sie eine blaszbraune, breiige Masse bilden, während ihre chitinhaltigen Hüllen so zart geworden sind, dasz sie mit der gröszten Leichtigkeit in Stücke zerfallen. Der schwarze Farbstoff der Augenflecke erhält sich besser als irgend etwas anderes. Gliedmaszen, Kiefer u. s. w. werden häufig vollständig losgetrennt gefunden; und dies ist, wie ich vermuthe, die Folge des vergeblichen Sträubens der später gefangenen Thiere. Ich bin zuweilen über das geringe Verhältnis gefangener Thiere in einem frischen Zustande verglichen mit den gänzlich zerfallenen überrascht gewesen. Mrs. Treat gibt mit Bezug auf die oben angeführten Larven an, dasz "gewöhnlich in weniger als zwei Tagen, nachdem eine grosze Larve gefangen war, der flüssige Inhalt der Blasen ein wolkiges oder trübes Aussehen anzunehmen begann und dasz er oft so dick wurde, dasz die Umrisse des Thieres aus dem Gesichte verschwanden." Diese Angabe regt die Vermuthung an, dasz die Blasen irgend ein Ferment absondern, welches den Procesz des Zerfalls beschleunigt. An und für sich liegt in dieser Vermuthung nichts unwahrscheinliches, wenn man bedenkt, dasz Fleisch, welches 10 Minuten lang in, mit dem milchigen Safte des Traubenbaums (papaw) gemischtem Wasser eingeweicht wird, völlig weich wird und, wie Browne in seiner Naturgeschichte von Jamaica bemerkt, bald in einen Zustand von Fäulnis übergeht.

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_370.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)