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durchsichtigen Spitzen mit breiten Basen, gleich den Stacheln am Stamme eines Brombeerstrauches oder Rubus. Da der Rand eingebogen ist, so sind diese Spitzen nach der Mittelrippe zugerichtet und es scheint zuerst, als seien sie dazu angepaszt, das Entkommen der Beute zu verhindern; aber dies kann kaum ihre hauptsächliche Thätigkeit sein, denn sie bestehen aus sehr zarter und stark biegsamer Membran, welche leicht gebogen oder ganz zurückgefaltet werden kann, ohne zerbrochen zu werden. Demungeachtet müssen die eingebognen Ränder mit den Spitzen zusammen die rückgängige Bewegung irgend eines kleinen Geschöpfes verhindern, so bald die Lappen sich zu schlieszen anfangen. Der peripherische Theil des Blattes der Aldrovanda weicht hiernach sehr von dem der Dionaea ab; auch können die Spitzen auf dem Rande nicht mit den Speichen oder Spitzen rings um die Blätter der Dionaea für homolog gehalten werden, da diese letzteren Verlängerungen der Blattscheibe und nicht blosze Producte der Epidermis sind. Sie scheinen also einem ganz verschiedenen Zwecke zu dienen.

Auf dem concaven drüsentragenden Theil des Lappens und besonders auf der Mittelrippe sind zahlreiche lange, fein zugespitzte Haare, welche, wie Prof. Cohn bemerkt, ohne Zweifel gegen Berührung empfindlich sind, und, wenn berührt, es verursachen, dasz das Blatt sich schlieszt. Sie werden von zwei Reihen Zellen gebildet, oder, wie Cohn sagt, manchmal von vier, und enthalten kein Gefäszgewebe. Sie weichen auch von den sechs empfindlichen Filamenten der Dionaea dadurch ab, dasz sie farblos sind, und ebenso wohl eine mittlere als eine basale Articulation haben. Ohne Zweifel verdanken sie es diesen zwei Gelenken, dasz sie trotz ihrer Länge dem Zerbrechen beim Schlieszen der Lappen entgehen.

Die Pflanzen, welche ich in der ersten Hälfte des Oktober aus Kew erhielt, öffneten niemals ihre Blätter, obgleich sie einer hohen Temperatur ausgesetzt wurden. Nachdem ich die Structur von einigen derselben untersucht hatte, experimentirte ich nur an zweien, da ich hoffte, die Pflanzen würden wachsen; und ich bedaure nun, dasz ich nicht eine gröszere Anzahl geopfert habe.

Ein Blatt wurde entlang der Mittelrippe aufgeschnitten und die Drüsen unter starker Vergröszerung untersucht. Es wurde darauf in einige wenige Tropfen eines Aufgusses von rohem Fleisch gethan. Nach 3 Stunden 20 Minuten hatte noch keine Veränderung stattgefunden;

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_293.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)