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erheben sich von einer beinahe holzigen Achse, und ihre gröszte Eigenthümlichkeit besteht in ihren blättrigen grünen Stielen, welche beinahe so breit und selbst noch länger sind als die drüsentragende Scheibe. Diese Species zieht daher wahrscheinlich mehr Nahrung aus der Luft und weniger aus gefangenen Insecten als die anderen Arten der Gattung. Nichtsdestoweniger sind doch die Tentakeln auf der Scheibe zusammengedrängt und sind äuszerst zahlreich, die an den Rändern sind viel länger als die mittleren. Alle Drüsen haben eine und dieselbe Form; ihr Secret ist äuszerst klebrig und sauer.

Das Exemplar, welches ich untersuchte, hatte sich soeben erst von einem schwachen Gesundheitszustande erholt. Dies dürfte es erklären, dasz die Tentakeln sich sehr langsam bewegten, wenn Stückchen Fleisch auf die Drüsen gelegt wurden, und vielleicht auch die Thatsache, dasz es mir niemals gelang, irgend eine Bewegung durch wiederholte Berührung derselben mit einer Nadel zu verursachen. Aber bei allen Arten der Gattung ist dies letztere Reizmittel das wenigst wirksamste von allen. Stückchen von Glas, Kork, Kohlenasche wurden auf die Drüsen von sechs Tentakeln gebracht; und einer allein bewegte sich nach Verlauf von 2 Stunden 30 Minuten. Trotzdem aber waren zwei Drüsen äuszerst empfindlich gegen sehr kleine Dosen von salpetersaurem Ammoniak, nämlich gegen ungefähr 1/20 Minim einer Lösung (ein Theil auf 5250 Theile Wasser), welches nur 1/115200 Gran (0,000562 Milligr.) des Salzes enthielt. Fragmente von Fliegen wurden auf zwei Blätter in die Nähe ihrer Spitzen gelegt; in wenig Stunden umfaszten sie die Tentakeln auf jeder Seite, und in 8 Stunden war das ganze Blatt direct unterhalb der Fliege ein wenig quer gebogen. Am nächsten Morgen, nach 23 Stunden, war das Blatt so vollständig eingerollt, dasz die Spitze auf dem oberen Ende des Stieles lag. In keinem Falle wurden die Seiten des Blattes eingebogen. Eine zerquetschte Fliege wurde auf den blattartigen Stiel gelegt, brachte aber keine Wirkung hervor.

Drosera spathulata (von Dr. Hooker mir geschickt). – Ich habe nur einige wenige Beobachtungen über diese australische Art gemacht, welche lange, schmale, sich allmählich nach der Spitze zu verbreiternde Blätter hat. Die Drüsen der äuszersten randständigen Tentakeln sind verlängert und weichen von den übrigen ab, wie es bei Drosera rotundifolia der Fall ist. Eine Fliege wurde auf ein Blatt gelegt, und in 18 Stunden war sie von den angrenzenden Tentakeln umfaszt. Gummiwasser auf mehrere Blätter getropft, brachte keine Wirkung hervor. Ein Bruchstück eines Blattes wurde in einige Tropfen einer Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser eingetaucht; alle Drüsen waren augenblicklich geschwärzt; man konnte sehen, wie der Procesz der Zusammenballung sehr schnell die Zellen der Tentakeln hinabgieng; die Protoplasma-Körnchen vereinigten sich bald zu Kugeln und verschieden geformten Massen, welche die gewöhnlichen Bewegungen darboten. Ein halbes Minim einer Lösung von einem Theil salpetersauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser wurde dann auf die Mitte eines Blattes gebracht; nach 6 Stunden waren einige randständige Tentakeln auf beiden Seiten eingebogen, und nach 9 Stunden trafen sie sich in der Mitte. Auch die seitlichen Ränder des Blattes wurden einwärts gekrümmt,

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_254.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)